Gastkommentar: Geben wir Wähler den Politikern die falschen Anreize?

Wahlunterlagen zur Landtagswahl in Bayern.
Eine gute Freundin, obwohl aus meiner eigenen Erfahrung einigen der CSU-Granden gegenüber sehr kritisch eingestellt, bat mich vor den Landtagswahlen in Bayern, doch unbedingt CSU zu wählen. Etwas amüsiert fragte ich, wie sie nach all ihren Erzählungen nun quasi Wahlkampf für die CSU machen könne.
„Ganz einfach“ war die Antwort. „Bayern hat in Summe eine hervorragende Verwaltung – und Landespolitik ist in erster Linie Verwaltungspolitik. Erfolg basiert darauf, dass man erst einmal die ganz langweiligen Dinge gut macht. Das sind aber meist nicht die Themen, mit denen man in Talkshows eingeladen wird.“
Verwaltung also? Wie so viele politisch interessierte Menschen frage ich mich nach den vergangenen Landtagswahlen, warum in einer Zeit, in der alle Indikatoren darauf hindeuten, dass es uns materiell besser geht denn je, die politischen Ränder aber immer stärker werden.
Und zwar überall in der westlichen Welt. Präziser gefragt, sind es die Politiker, die uns Wähler mit den einfachen Lösungen und großen Versprechen zu immer abgefahreneren rechten und linken Parteien locken oder setzen wir Wähler die Anreize für Politiker so, dass sie uns dauernd die Weltenrettung oder zumindest den ganz großen gesellschaftlichen Wurf versprechen, weil wir solides politisches Handwerk nicht ausreichend schätzen.
Ich kann nur für mein urbanes Umfeld sprechen, aber ich kenne niemanden, den die öffentliche Verwaltung für Politik begeistert hat. Mindestens muss es um „soziale Gerechtigkeit“, den Atomausstieg oder den Klimawandel gehen, damit sich Leute für Politik interessieren. Aber warum eigentlich?

Abermillionen Menschen studieren so etwas sprödes wie BWL – hoffentlich, um effizientes Management zu erlernen. Warum gibt es dieses Interesse nicht für das Management unseres Gemeinwesens, das uns doch ganz unmittelbar betrifft.
Wenn bei mir im Unternehmen jemand etwas anstoßen will, hat er oder sie die besten Chancen, wenn erstens ein überschaubares Budget beantragt wird und zweitens ein klarer Erfolg der Maßnahme definiert werden kann, sodass man sie gegebenenfalls ausbauen oder wieder einstellen kann.
Als Politiker muss ich dauernd das ganz große Rad drehen
In meiner Wahrnehmung läuft das in der Politik genau umgekehrt. Nicht die Effektivität und Effizienz, also wie viel ich als Politiker mit einem gewissen Einsatz der Steuergelder erreiche, wird belohnt. Im Gegenteil, die Politik will Themen Bedeutung geben, in die sie besinnungslos Geld reinbuttern kann. Als Politiker muss ich dauernd das ganz große Rad drehen. Das nutzt sich aber in einem wiederholten Spiel ab.
Egal ob Henne oder Ei, Politiker oder Wähler ursächlich dafür sind, wir sind in einem steten Zyklus von Krisenszenario, Heilsversprechen und Enttäuschung. So besetzt die SPD seit 1998 in 21 von 25 Jahren die wichtigsten Sozialministerien in Berlin.
Man könnte meinen, dass die SPD stolz die Fortschritte in der sozialen Sicherheit präsentiert. Stattdessen zeichnet sie in jedem Wahlkampf das Bild der „sozialen Wüste Deutschland“. Und trotz aller Maßnahmen ist das vier Jahre später im nächsten Wahlkampf wieder so.
Ich persönlich bin überzeugt, da ist keine Krise, im Gegenteil. Wenn man an einen Versorgungsstaat glaubt, dann ist die SPD das Opfer des eigenen Erfolges. Sowohl absolut als auch relativ zum Pro-Kopf-Einkommen ist die Bundesrepublik bei den Sozialausgaben international in der absoluten Spitzengruppe – viel mehr Luft nach oben gibt es kaum. In den Köpfen einer immer größeren Wählerschaft setzt sich aber das Bild einer Dauerkrise fest und dass die SPD ihnen da offenbar nicht raushilft.
Konzentration auf das Machbare
Natürlich müssen in Unternehmen erst einmal die Grundsatzentscheidungen richtig getroffen werden, aber dann ist es das saubere Abarbeiten, das zum Erfolg führt. Ich bin überzeugt, dass auch das die Blaupause für die Politik sein müsste, um die weitere Stärkung der extremen Ränder zu verhindern.
Die Konzentration auf das Machbare und das Spürbare würde Schritt für Schritt wieder Glaubwürdigkeit in die Politik herstellen. Auch libertäre Geister halten innere Sicherheit und die Schaffung von Infrastruktur für Kernaufgaben eines Staates. Das sind auch die Themen, die die Menschen bewegen und bei denen Fortschritte messbar wahrgenommen werden. Gerade die schwache Infrastruktur auf dem Land spielt der AfD extrem in die Hände.
Die Aufforderung meiner Freundin, gute Verwaltung mehr zu schätzen, gefällt mir deshalb so, weil die Menschen und Unternehmen an dieser Schnittstelle den Staat unmittelbar erleben. Die Fühlbarkeit von Politik und Verwaltung ist essenziell, um sich nicht „von denen da oben in Berlin“ abgehängt zu fühlen.
Ich bin mir bewusst, dass ich keinen Deut besser bin. Auch mein Politikinteresse begann mit nichts Kleinerem als dem Kalten Krieg, wenn auch nicht auf die klassisch friedensbewegte Art. Als strammer Verfechter des Nato-Doppelbeschlusses – der Spieltheoretiker war offenbar in mir, ehe ich wusste, was Spieltheorie ist – und Strauß-Fan bin ich als Jugendlicher in die CSU eingetreten.






Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber, nachdem ich das Milieu ihrer Mitgliedschaft der 80er kennengelernt habe, war die CSU für mich fortan unwählbar und ich trat wieder aus. Zwei Drittel der Bayern halten Bayern für gut verwaltet und regiert und ich gehöre definitiv zu dieser Mehrheit.
Ich habe trotzdem auch diesmal nicht CSU gewählt. Aber erstmals mit einem schlechten Gewissen.





