Gastkommentar: Pflegekräfte verdienen mehr!

Ute Klammer ist Geschäftsführende Direktorin des Instituts Arbeit und Qualifikation, Universität Duisburg-Essen. Die Professorin ist auch stellvertretende Vorsitzende des Sozialbeirats, der die Bundesregierung in Fragen der Alterssicherung berät.
Applaus zahlt keine Miete – deshalb sollen alle Altenpflegekräfte künftig nach Tarif bezahlt werden. Dies ist das Ziel der Pflegereform, die der Bundestag jüngst beschlossen hat. Ab September 2022 sollen nur noch Pflegeeinrichtungen zur Versorgung zugelassen werden – also mit der Pflegeversicherung abrechnen können –, die ihre Pflege- und Betreuungskräfte nach Tarif bezahlen.
Es ist ein neuer Anlauf, eine akzeptable Lohnuntergrenze für die „systemrelevante“ Branche zu schaffen – diesmal über den Weg der „Tariftreue“. Zuvor war im Februar der Versuch, per „Allgemeinverbindlichkeitserklärung“ zu einem flächendeckenden Branchenmindestlohn für die Pflege zu kommen, am Veto der Caritas gescheitert. Damit wurde eine historische Chance zur überfälligen Aufwertung sozialer Dienstleistungsberufe vertan.
Kaum wurden die neuen Pläne der Großen Koalition bekannt, folgte die reflexartige Kritik, der Staat solle sich nicht in die Tarifautonomie einmischen – etwa von Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in einem Handelsblatt-Gastkommentar Ende Mai.
Tatsächlich ist die Tarifautonomie ein hohes Gut und zentraler Bestandteil des deutschen Systems der Arbeitsbeziehungen. Wer allerdings glaubt, der Verweis auf dieses hohe Gut reiche aus, auch künftig befriedigende Lösungen zu finden, ignoriert tiefgreifende Entwicklungen zulasten von Beschäftigten.





