Gastkommentar: Sieben Punkte, wie Banken glaubwürdig ihre Nachhaltigkeit verbessern können

„Für die Finanzbranche steht viel auf dem Spiel.”
Der Übergang zu einer nachhaltigen Finanzwirtschaft zählt zu den größten Herausforderungen des Finanzsektors. Deshalb ist die Diskussion darüber, wie wir unsere Anlagekriterien an den drei Zielen Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung (Environment, Social, Governance, ESG) orientieren können, für die gesamte Branche von entscheidender Bedeutung.
Die jüngste Berichterstattung über den Vermögensverwalter DWS signalisiert, dass sich die Öffentlichkeit immer stärker dafür interessiert, wie Unternehmen Informationen zu nachhaltigen Finanzanlagen offenlegen. Die DWS hat deutlich gemacht, dass sie zu ihren Angaben steht und die Vorwürfe einer ehemaligen Mitarbeiterin, die DWS betreibe bei ihren nachhaltigen Investmentprodukten „Greenwashing“, entschieden zurückweist.
Das Beispiel zeigt aber: Der Finanzsektor steht im Mittelpunkt einer Entwicklung – und das ist auch gut so. Vieles gerät derzeit in Bewegung, Standards entwickeln sich weiter, die Wissenschaft macht Fortschritte. Aufsichtsbehörden, Banken, Vermögensverwalter und Investoren vertiefen ihr Fachwissen Tag für Tag. Das Gleiche gilt für unsere Kunden.
Aber so bedeutend die noch ausstehende Arbeit an den Nachhaltigkeitsstandards auch ist: Banken können und müssen schon jetzt handeln, damit ihre ESG-Ambitionen möglichst schnell handfeste Wirkung entfalten. Wie also können wir bei unseren Anlagekriterien der Nachhaltigkeit die Priorität geben, die sie braucht? Und wie lässt sich Nachhaltigkeit so organisieren und messen, dass wir tatsächlich Fortschritte erzielen?
Nachhaltigkeit zur Chefsache machen
Die Antwort: Wir müssen ein Instrumentarium entwickeln, mit dem wir unsere Arbeit im Bereich ESG steuern können. Mit dem richtigen Ansatz können Banken auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit nachvollziehbar vorankommen und sich auf den anspruchsvolleren regulatorischen Rahmen vorbereiten, der zu Recht erwartet wird. Die Erfahrungen der Deutschen Bank legen für die Finanzbranche sieben Regeln nahe:
Erstens gilt es, den eigenen Nachhaltigkeitszielen durch gute Unternehmensführung Rückhalt zu geben – und sie zur Chefsache zu machen. Dort müssen die Entscheidungen fallen, wie die Nachhaltigkeitsstrategie eines Unternehmens konkret umgesetzt wird. Und die Umsetzung dieser Entscheidungen auch im operativen Geschäft muss konsequent nachgehalten werden. So leitet der Vorstandsvorsitzende Christian Sewing das Nachhaltigkeitskomitee der Deutschen Bank. Dort fallen jeden Monat die wichtigsten Entscheidungen in der Frage, wie wir unsere Nachhaltigkeitsstrategie konkret umsetzen.
Zweitens müssen die Nachhaltigkeitsziele mit der Vergütung verbunden werden – und zwar auf transparente Weise. Auch das fängt an der Spitze des Unternehmens an, etwa dadurch, die Vergütung von Topmanagern daran zu knüpfen, dass ESG-Kriterien erfüllt werden. Dabei müssen die Kriterien und Ziele auf glaubwürdigen und nachprüfbaren Kennzahlen beruhen – etwa auf den Bewertungen der führenden Nachhaltigkeits-Ratingagenturen. Und die Auswirkung auf die Vergütung muss spürbar genug sein, um ernst genommen zu werden.
Drittens: Wir müssen langfristig denken, aber kurzfristig handeln. Kurzfristige Ziele helfen dabei, den notwendigen organisatorischen Wandel voranzutreiben, einer der Pioniere bei der Produktentwicklung zu sein und bei Bedarf rasch den Kurs wieder zu korrigieren.
Denn auch wenn auf den Märkten für nachhaltige Investitionen längerfristiges Denken unerlässlich ist, um „netto null“ und andere Ziele der Europäischen Union sowie nationaler Regierungen im Blick zu behalten: Zwischenziele auf Sicht von drei bis fünf Jahren sind unerlässlich, wenn es darum geht, Veränderungen innerhalb der Organisation zu beschleunigen und regulatorische Neuerungen zu antizipieren.
Einzelne in die Verantwortung nehmen
Viertens: sich Ziele setzen, die detailliert genug sind, um Einzelne dafür in die Verantwortung zu nehmen. Das bedeutet, die übergreifenden Nachhaltigkeitsziele eines Unternehmens auf Geschäftsbereiche und -felder, Kundensegmente und Kategorien (Umwelt, Soziales oder Governance) herunterzubrechen – sodass jedes Team und jede Führungskraft weiß, was ihre Verantwortung ist. So können Unternehmen das ESG-Management in die allgemeine Unternehmenssteuerung und Quartalsberichterstattung integrieren. Die Botschaft ist klar: Nachhaltigkeit ist jetzt Teil des Geschäftsalltags.
Fünftens: selektiv sein. Die Ziele müssen auch mit Blick darauf transparent sein, welche Transaktionen als nachhaltig gelten und welche nicht. Robuste interne „Checks and Balances“ sind von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, die „grüne Glaubwürdigkeit“ des Finanzsektors zu stärken. Die Kontrollfunktionen, die nachhalten, ob Ziele erreicht werden, müssen Biss haben: Transaktionen müssen ausgeschlossen werden können, wenn sie ESG-Kriterien nicht erfüllen.
Dafür brauchen diese Funktionen die notwendige Unabhängigkeit von den Geschäftsbereichen. Entscheidungen darüber, welche Geschäfte als ESG-konform eingestuft werden und welche nicht, müssen auf einer Kombination aus internem Fachwissen und externen Expertenmeinungen und Erkenntnissen beruhen. Es ist wichtig, dass eine starke Governance kontrolliert, ob eine Transaktion definierten ESG-Standards entspricht.
Selbst praktizieren, was man von anderen fordert
Sechstens: selbst praktizieren, was man von anderen fordert. Das Versprechen nachhaltigen Handelns umfasst nicht nur das Geschäft mit Kunden, sondern auch den eigenen Betrieb in allen Aspekten. Das beinhaltet sowohl Entscheidungen darüber, wie viel der Energie, die ein Unternehmen verbraucht, aus nachhaltigen Quellen stammen sollte, als auch Fragen nach den Regelungen für Reisen oder Dienstwagen oder aber der Energieeffizienz von Bürogebäuden.
Und schließlich, siebtens, das Wichtigste: Wir müssen unsere Nachhaltigkeitsziele an anerkannten Rahmenwerken ausrichten. Die Deutsche Bank misst die Wirkung ihrer ESG-Aktivitäten mittlerweile anhand der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen und des Pariser Klima-Abkommens. Dies bringt seine eigenen Herausforderungen mit sich – denn die direkten Auswirkungen einiger Maßnahmen und Transaktionen sind manchmal noch schwer zu messen. Daher sind überprüfbare externe Referenzpunkte unerlässlich. Sie sind die Voraussetzung dafür, dass unsere Ambitionen auch Wirkung entfalten.
Es liegt noch viel Arbeit vor uns. Wir Banken müssen zusammenarbeiten, zum Beispiel im Rahmen der „Partnership for Carbon Accounting Financials“ und anderer Brancheninitiativen. Unsere oberste Priorität ist klar: Wir müssen gemeinsam mit Regulierungsbehörden und allen, die Standards setzen und politische Entscheidungen treffen, einen einheitlichen, transparenten, globalen Rahmen schaffen: für die Messung und Überwachung des Übergangs zu einem nachhaltigeren Finanzsystem.
Parallel dazu können und sollten Banken schon jetzt ihre ESG-Fortschritte konsequent steuern. Für unsere Branche stand selten mehr auf dem Spiel als heute.
Die Autoren: James von Moltke ist Finanzvorstand der Deutschen Bank. Gerald Podobnik ist CFO Unternehmensbank der Deutschen Bank und Mitglied im Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregierung.
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