Gastkommentar: Warum Politik und Bürger sich nicht mehr verstehen

Derzeit redet man in Deutschland vor allem von Sondervermögen und Rüstungsausgaben. Doch jenseits dieser historischen Entscheidungen treiben mich die Reaktionen auf die Bundestagswahl um, weil sie ein grundlegendes Missverständnis zwischen der Politik und der Bevölkerung offenbaren.
Exemplarisch zeigt das der Satz des scheidenden Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck, mit dem er erklärt, warum sein Wahlkampf gut war, obwohl er keines seiner politischen Ziele erreicht hat. „Das Angebot war top, die Nachfrage war nicht so dolle“, so Habeck.
Mich hat diese Aussage berührt, und sie hat tief blicken lassen. Berührt hat sie mich, weil sich hier ein Mensch geäußert hat, der eine schmerzliche Niederlage öffentlich eingestehen musste. Dies fällt keinem leicht, und dafür zolle ich ihm Respekt.
Aber die Begründung lässt auch tief blicken, da sie ein Politikverständnis zeigt, welches die Güte des Angebots mit den eigenen Überzeugungen verknüpft statt mit den Bedürfnissen der Menschen. Dieser Ansatz geht in der Politik genauso wenig auf wie für Unternehmen, die ihre Kundschaft aus den Augen verlieren.
In der Demokratie folgt die Abwahl. In der Sozialen Marktwirtschaft verschwindet das Unternehmen vom Markt. Solange Bürgerinnen und Bürger die Souveräne im Staat sind, wird das so sein, und ich bin froh darüber.
Wenn Bürger wählen, ist nicht die Demokratie in Gefahr
Dennoch wird in unserem Land gerade viel darüber gesprochen, dass die Demokratie in Gefahr sei. Wenn Bürgerinnen und Bürger sich in freien Wahlen entscheiden, Parteien ein Mandat auf Zeit zu geben, gefährden sie nicht unsere Demokratie, sondern sie machen Gebrauch von ihr. Mit dem Ergebnis einer Bundestagswahl ist daher nicht unsere Demokratie in Gefahr, sondern die Parteien und ihre Programme, die Federn gelassen haben.
So wenig, wie es bei schwindenden Marktanteilen einem Unternehmen hilft, die Konkurrenz und die ausbleibende Kundschaft zu beklagen, so wenig hilft es Parteien, auf andere Parteien zu schimpfen, den Untergang der Demokratie zu prognostizieren und abwandernde Wähler geringschätzig zu betrachten.
In solchen Situationen gilt es genau hinzuhören, was die Souveräne im Staat wirklich beschäftigt, um überzeugende Lösungsvorschläge machen zu können. Doch zwischen den Parteien, die sich zur Wahl stellen, und der Mehrheit der Souveräne, die einen Regierungsauftrag erteilen können, klafft eine Lücke. Sie verstehen einander nicht mehr.
Warum ist das so, und warum wird die Lücke eher größer als kleiner? Nach meiner Beobachtung liegt dies vor allem an zwei Phänomenen:
Vier Reformideen für die Gesetzgebung
Folgende vier Ansätze könnten im Zusammenspiel helfen, Rahmenbedingungen zu schaffen, um diese Herausforderungen anzupacken:
Eine kontroverse Diskussion dieser Vorschläge würde uns weiterbringen. Dabei würden sicher auch Gründe genannt, warum das alles nicht gehe. Doch das gehört dazu. Denn eine Demokratie ist vor allem dann lebendig, wenn Kontroversen erwünscht sind.
Und am Ende gilt, dass immer ein Weg gefunden werden kann, wenn uns ein Ziel wirklich wichtig ist. Denn wer will, findet Wege. Und wer nicht will, findet Gründe. Das gilt für Unternehmen und das gilt für unser Land.


Der Autor: Christoph Werner ist Vorsitzender der Geschäftsführung von dm.
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Erstpublikation: 21.03.2025, 04:12 Uhr.






