Gastkommentar: Wir brauchen ein europäisches Satellitennetzwerk

Starlink ist längst ein Begriff: Das Satellitennetz von Elon Musk hat spätestens seit dem Krieg in der Ukraine mit seiner Schlüsselrolle in der militärischen Kommunikation und in der Steuerung von Drohnen bewiesen, welche Rolle es spielen kann. Auch Jeff Bezos' Satelliten-Projekt Kuiper steht immer wieder im Scheinwerferlicht mit dem Versuch, Amazon ins Weltall zu katapultieren. China hingegen verfolgt weniger Schlagzeilen-trächtig, dafür umso entschlossener mit hoher technologischer Kompetenz und Präzision seinen eigenen Kurs ins Weltall – und arbeitet an Lösungen, die die US-Netze in den Schatten stellen könnten.
Das weltweite verstärkte Interesse an den „Low Earth Orbit (LEO)“-Satelliten ist eine Antwort auf die wachsende Nachfrage nach globaler Konnektivität. Während 5G und perspektivisch 6G in urbanen Zentren und dicht besiedelten Gebieten exzellente Lösungen darstellen, bieten Satellitennetzwerke eine unverzichtbare Ergänzung in abgelegenen Gebieten, in Krisensituationen und für Anwendungen, die globale Abdeckung erfordern. Diese Netzwerke spielen eine entscheidende Rolle für die nationale und geopolitische Sicherheit. Zudem finden sie zunehmend kommerzielle Anwendungen, die sich an den Endverbraucher richten und der Erschließung neuer Märkte dienen.
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In China lassen sich aktuell mindestens vier große staatliche Initiativen (von China Aerospace Science and Technology Corporation CASC, China Aerospace Science and Industry Corporation CASIC) beobachten, die das rasante Tempo eindrucksvoll unter Beweis stellen:
Erstens: GuoWang baut ähnlich zu Starlink ein globales Breitband-Internetnetzwerk über eine Konstellation von LEO-Satelliten auf. Seit den frühen 2020er-Jahren geplant sind erste Starts längst erfolgt. GuoWang ist das umfassendste der chinesischen Satellitenprojekte. Es ist auf eine breite kommerzielle Nutzung ausgerichtet, um eine globale Internetabdeckung bereitzustellen, ist aber auch für militärische Zwecke gedacht.
Zweitens: Hongyun konzentriert sich auf die Bereitstellung von Breitband-Internetdiensten über ein Netzwerk von LEO-Satelliten für weniger erschlossene Gebiete. Hongyun ist eher als ein nationales Projekt konzipiert und fokussiert sich stärker auf die Versorgung ländlicher Gebiete innerhalb Chinas. Der erste Satellit wurde 2018 gestartet.
Die EU hat zwar einige Satelliten-Aktivitäten gestartet, doch bleibt sie im Wettbewerb zurück
Drittens: Hongyan legt seinen Schwerpunkt auf maritime Kommunikation und IoT-Anwendungen und ergänzt die anderen Projekte durch seine Spezialisierung. Der erste LEO-Satellit wurde 2018 gestartet, das Netzwerk soll in den nächsten Jahren konsequent erweitert werden.
Viertens: Tiantong ist ein geostationäres (GEO-)Satellitennetzwerk für mobile Endgeräte, bei denen etwas längere Latenzzeiten akzeptabel sind. Das 2016 gestartete Netz unterscheidet sich technologisch deutlich von den anderen Projekten: Für klassische Sprachkommunikation sind GEO-Netze völlig ausreichend, für Video Conferencing oder Echtzeit-Gaming kommen sie an Grenzen. Umgekehrt liegt der Vorteil der höherstehenden GEO-Satelliten in ihrer großen Abdeckung, weil mit nur wenigen Satelliten globale Abdeckung gewährleistet werden kann. Das System wird auch für die staatliche Notfallkommunikation verwendet.
Die Europäische Union (EU) hat zwar einige Aktivitäten gestartet, doch trotz der strategischen Bedeutung satellitengestützter Kommunikation bleiben die Europäer hinter den Fortschritten in den USA und China zurück. Während Projekte wie IRIS² und E3S wichtige Schritte in Richtung einer europäischen Antwort auf Starlink, Kuiper und die chinesischen Initiativen darstellen, sind die Investitionen und Zeitpläne im Vergleich zu den globalen Wettbewerbern zaghaft, weniger ambitioniert und kaum umfassend.
Wir betonen in Europa immer wieder die „Europäische technologische Souveränität“ und sind dann überrascht, wenn uns andere Akteure technologisch überholen. Dabei scheint es ein systematisches Problem zu sein, dass wir China in diesen Entwicklungen in seiner Innovationsfähigkeit ständig unterschätzen. Das Standardbeispiel, dass China heute die führende Rolle in der Batterietechnologie spielt, ist mehr als bekannt.
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Aber auch die neue Seidenstraße haben wir erst dann ernsthaft zur Kenntnis genommen, als sie bereits in erheblichem Umfang realisiert wurde. Bei innovativen Hochgeschwindigkeitszügen neigten wir dazu, unseren Blick außerhalb Europas eher auf den japanischen Shinkansen zu richten – während doch viele bahnbrechende Entwicklungen in den vergangenen Jahren in China stattgefunden haben.






Wir reden, China handelt – und zeigt der Welt, wie es geht. Europa droht es einmal mehr, die Chancen der Zukunftsmärkte zu verpassen und von externen Anbietern abhängig zu werden. Entschlossenere Maßnahmen und höhere Investitionen sind zwingend, um in der globalen Arena der satellitengestützten Kommunikation nicht nur mitzuhalten, sondern auch eine führende Rolle einzunehmen.
Die Autorin:
Sabina Jeschke ist ehemaliges Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn, CEO des KI Park e.V., Executive Senior Advisor bei Arthur D. Little und Aufsichtsratsmitglied der Vitesco AG.
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