Kolumne Querdenker: Die Geldmenge wird wieder zur Gefahr

Der Autor ist Chefvolkswirt der Commerzbank.
Jahrelang tat sich nichts bei der Geldmenge M3, die Bargeld, Girokontenguthaben und andere geldnahe Bankeinlagen umfasst. Aber seit der Corona-Pandemie hat sich das Geldmengenwachstum beschleunigt – auf zuletzt 9,2 Prozent, wie die Europäische Zentralbank (EZB) am Montag mitteilte. In den kommenden Monaten dürfte das Plus zweistellig werden. Die Geldmenge ist wieder ein Thema. Und eine Gefahr.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat auf der letzten Pressekonferenz behauptet, die Geldmenge steige vor allem, weil die Wirtschaft wegen Corona mehr Liquidität benötige. Tatsächlich haben die Banken den Unternehmen in der Krise mehr Kredite gewährt und ihnen den Gegenwert auf ihren Bankkonten gutgeschrieben, was die Geldmenge M3 erhöht.
Aber Lagarde erwähnte nicht, dass es vor allem die EZB ist, die das Geldmengenwachstum anfacht. Schließlich erwirbt sie im Rahmen ihres Corona-Kaufprogramms zusätzlich Anleihen im Volumen von 1,35 Billionen Euro. Ein guter Teil des Geldes landet auf den Bankkonten der Bürger und Unternehmen und bläht die Geldmenge auf.
Auf direktem Wege erhöht die EZB die Geldmenge, wenn sie Versicherungen, Pensionsfonds oder anderen großen Anlegern Staatsanleihen abkauft und ihnen den Gegenwert auf Konten bei Geschäftsbanken überweist. Aber auch wenn Banken von Anlegern oder Finanzministern Staatsanleihen erwerben, spielt das Anleihekaufprogramm der EZB eine wichtige Rolle. Denn viele Banken kaufen nur deshalb in großem Stil solche Anleihen, weil sie diese an die EZB weiterreichen können.
Das Risiko für Blasen am Finanzmarkt steigt
Diese indirekten und die direkten Staatsanleihekäufe der EZB sind seit Ausbruch von Corona dreimal so wichtig für die Beschleunigung der Geldmenge wie die Bankkredite an die Unternehmen.
Das Ganze wäre unproblematisch, wenn die Staaten, wie die Unternehmen, nur vorübergehend mehr Schulden aufnähmen und sie bald wieder zurückzahlten. Dann würde die Geldmenge wieder schrumpfen. Aber in den meisten Ländern gibt es keine funktionierenden Schuldenbremsen, die die Staaten zu einer Rückführung ihrer Schulden zwingen. Die Haushaltsdefizite dürften wegen der Folgewirkungen der Coronakrise im kommenden Jahr ohnehin hoch bleiben.






Zudem läuft das Corona-Anleihekaufprogramm der EZB noch mindestens bis Mitte nächsten Jahres und dürfte danach in der einen oder anderen Form verlängert werden. Kurzum: Der Kredithunger der Staaten und die Bereitschaft der EZB, ihn zu stillen, werden die Geldmenge noch eine ganze Weile stark steigen lassen. Es gelangt zu viel Geld in Umlauf.
Das dürfte die Inflation in den kommenden zwei bis drei Jahren zwar noch nicht steigen lassen, weil die hohe Arbeitslosigkeit den Anstieg der Arbeitskosten niedrig hält. Aber das Zuviel an Liquidität treibt die Vermögenspreise weiter nach oben. Mit dem Aufblähen der Geldmenge leistet die EZB dem Entstehen neuer, gefährlicher Blasen an den Finanz- und Immobilienmärkten ungewollt Vorschub.
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