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Prüfers KolumneKein Pokal, aber trotzdem wie Boris Becker

Die Tennislegende steht im erweiterten Rahmen eines Insolvenzverfahrens vor Gericht. Droht mir das auch, weil ich keine Ahnung von Verträgen und Bargeld habe?Tillmann Prüfer 09.04.2022 - 11:22 Uhr Artikel anhören

Tillmann Prüfer ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“.

Foto: Handelsblatt

Ich habe neulich die Berichte über das Gerichtsverfahren gegen Boris Becker gelesen, und es hat mich sehr nachdenklich gemacht. Es ging unter anderem darum, ob dieser als Tennisspieler berühmt gewordene Mensch im Rahmen seiner Insolvenz in angebrachter Weise mit den Behörden kommuniziert hat und wo eigentlich sein erster Wimbledon-Pokal abgeblieben ist, der ja zur Insolvenzmasse gehört.

Die Trophäensammlung wurde schon vor Jahren im Auftrag des Insolvenzverwalters versteigert. Nur der Ur-Henkelpott, der aus einem 17-jährigen Leimener einen Weltstar machte, blieb verschont. Ich frage mich, was das für Menschen sind, die auf Trophäen von Sportlern bieten. Ein Pokal ist ja etwas, das dadurch einen Wert bekommt, dass man es selbst erkämpft hat – und nur dadurch, oder?

Becker hat jedenfalls laut eigener Aussage keinen Schimmer, wo sein erster Wimbledon-Pokal abgeblieben sein könnte. Und ich kann gut verstehen, wenn er ihn einfach im Garten vergraben hat, damit ihn niemand in die Finger bekommt. Becker hat angegeben, über seine Finanzen nie einen Überblick gehabt zu haben, seinen Beratern und Verwaltern geglaubt zu haben, die Verträge, die er unterschrieben hat, allenfalls kursorisch gelesen zu haben, weil er nicht die Geduld hatte, sich eingehend mit dem Regelwerk zu beschäftigen.

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Auch das kann ich sehr gut verstehen, ich wäre irre dankbar, gäbe es jemanden, der das alles für mich regelt. Aber da ich den nicht habe, stehe ich im Grunde noch schlechter da als Boris Becker. Denn ich lese Verträge ebenfalls kursorisch und unterschreibe sie dann einfach, aber halt für mich allein. Der letzte Vertrag, den ich ganz gelesen habe, war der Mietvertrag meiner Studentenbude. Der hatte nur eine halbe Seite. Ich denke mir, das sind halt so Texte, in denen alles schon seine Richtigkeit hat, weil andere sie ja auch unterschreiben.

Boris Becker sagt, dass er meist nur das Geld ausgegeben habe, das er ausgehändigt bekam. Ich muss sagen, das wäre auch meine Idealvorstellung vom Leben. Ich schaue äußerst ungern auf den Kontostand und wäre dankbar, gäbe es jemanden, der dafür zuständig ist. Und im Unterschied zu mir hat Becker genügend andere Dinge zu tun gehabt, Tennisspiele, Hochzeiten, Scheidungen etwa.

Ich finde es bedrückend, dass die mir persönlich sehr vertraute Praxis des Nichtlesens anstrengender Sachen offenbar dazu führt, dass man in die Insolvenz gehen muss und dann vor einem Londoner Gericht steht. Anschließend stellen sich dann fremde Menschen meine hart erkämpften Pokale ins Regal. Menschen, die im Leben vermutlich nie um etwas wirklich kämpfen mussten, aber dafür immer das Kleingedruckte gründlich gelesen haben. Was für ein Jammer. Mir bliebe immerhin das mit der Trophäe erspart: Ich habe keinen Pokal, nicht einmal im Garten vergraben.

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