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Prüfers KolumneStart-ups in Berlin: Kommt nach dem bezahlten Sabbatical in der Krise die freiwillige Selbstentlassung?

Junge Unternehmen lassen sich gern vom Silicon Valley inspirieren. Sie könnten dort nun auch ein paar Ideen für anstehende Kündigungswellen finden.Tillmann Prüfer 16.07.2022 - 11:00 Uhr Artikel anhören

Tillmann Prüfer ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“.

Foto: Handelsblatt

In Berlin wird gerade mehr über Start-up-Gründer gemeckert als über Immobilienspekulanten. Die solventen Jungunternehmer lassen sich gern in der angesagten Hauptstadt nieder und treiben damit die Wohnungspreise hoch. Denn in Berlin gibt es angeblich all die jungen Talente, den coolen Lifestyle, den im Vergleich zu anderen Metropolen bezahlbaren Büroraum. Und dann sind da noch all die kreativen Ideen, mit denen man ganz viel Shared-Office-Space füllen kann, bis man wieder ausziehen muss.

Berlin hat eine der höchsten Gründer-Quoten der Republik. Erhebungen zufolge planen hier 7,4 Prozent der 18- bis 64-Jährigen eine Gründung. Es gibt keinen Bereich der Wirtschaft, der hier nicht mit freshen Start-up-Ideen beliefert wird. Neulich hat ein Start-up eine App für die Baustelle veröffentlicht, mit der Bauleiter und Poliere Baumaterial bestellen können (wenn denn wieder welches lieferbar ist).

Das Problem vieler Start-ups: Sie haben die Zukunft im Kopf, aber die Zukunft macht noch nicht mit. So mussten Lebensmittellieferdienste etliche Mitarbeiter entlassen, weil die Leute sich nach den Lockdowns doch nicht dazu entschließen konnten, weiter alle Einkäufe von einem Fahrradkurier erledigen zu lassen. Ein Betreiber teurer Fahrrad-Hometrainer hat das Problem, dass die Menschen wieder in profane Fitnessstudios gehen, anstatt digital zu trainieren. Und Nachrichten aus den USA zeigen, dass es für Start-ups bald noch ungemütlicher werden könnte.

Dort entlassen Tech-Unternehmen Zehntausende, die Börsenwerte sind auf Talfahrt. Meta-Chef Mark Zuckerberg hat seine Mitarbeiter zur „Selbst-Selektion“ aufgefordert: Wer einsieht, nicht ins Unternehmen zu passen, solle sich „entscheiden, dass das hier nichts für sie ist.“ Zuvor hatte Meta bereits den kostenlosen Wäscheservice für Mitarbeiter eingestellt.

Das ist vielleicht das Gemeinste. In Berlin hatte man gerade erst begonnen, die Unternehmenskultur des Silicon Valley zu übernehmen, wonach man den Mitarbeitern nur wie eine Full-Service-Agentur entgegentreten muss, damit sie alles für einen machen.

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Zum Beispiel hat in Berlin gerade ein Kondom-Start-up mit einer einzigartigen Sabbatical-Regelung von sich Reden gemacht. Jeder Mitarbeiter darf zusätzlich zum regulären Urlaub einen Monat im Jahr eine voll bezahlte Auszeit nehmen oder die Monate über mehrere Jahre ansparen und auf einmal freinehmen – einfach so. Als erstes hatte sich der Gründer eine Auszeit nehmen wollen, der „People-Rat“ beschloss dann, dass das nun alle Mitarbeitenden dürfen sollen.

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Wenn man sich in Berlin weiter daran orientiert, wie es im Silicon Valley läuft, muss man diese Regel nur noch geringfügig erweitern: Die Mitarbeiter würden dann für die Auszeiten kein Geld mehr bekommen und dürften auch nicht mehr zurückkommen.

Und dann können wir alle auf den nächsten Start-up-Boom warten und in der Zwischenzeit wieder Immobilienhaie hassen.

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