Gastkommentar – Homo oeconomicus: Nur eine radikale Reform kann Deutschlands Verwaltung auf Vordermann bringen
Je digitaler die Welt wird, umso offenkundiger werden die Defizite unserer Verwaltung.
Die deutsche Bürokratie ist behäbig, ineffizient und teuer. Es gibt Staus bei der Bearbeitung von Anträgen bei den Ausländerbehörden, den Einwohnermelde- und den Bauämtern.
Genehmigungsverfahren für dringend erforderliche Investitionen in erneuerbare Energien, Produktionsstandorte oder Ladeinfrastrukturen dauern viel zu lange. Fördergelder werden nicht abgerufen, weil sie den Förderkandidaten nicht bekannt sind.
Verantwortlich dafür sind die komplizierten Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften – vielfach gespeist durch die Regulierungswut Brüssels. Hinzu kommt, dass die hohe Regulierungsdichte auf ineffiziente Verwaltungsprozesse trifft. Die deutsche Bürokratie arbeitet mit veralteten, inkompatiblen IT-Systemen, die behördenübergreifende Kooperationen verhindern. Schlanke, agile Arbeitsprozesse findet man kaum.
Diese Defizite werden durch die jüngsten Krisen schonungslos offengelegt. Die Verwaltung muss von der Privatwirtschaft lernen. Private Unternehmen müssen sich in Krisen wandeln, sonst verschwinden sie vom Markt. Bei der Verwaltung herrscht kein solcher Anpassungsdruck.
Neukonzeption der Bürokratie notwendig
Deshalb sind wir in Deutschland viel zu langsam bei der dringend benötigten Transformation hin zu einer nachhaltig wachsenden, innovativen Wirtschaft. Das betrifft die Energiewende und die Mobilitätswende ebenso wie die Wohnungswirtschaft.
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Volker Brühl ist Professor für Finanzen und Geschäftsführer am Center for Financial Studies in Frankfurt a.M.
Wir müssen von Grund auf neu nachdenken, wie Antrags- und Genehmigungsverfahren vereinfacht, beschleunigt und digitalisiert werden können. Ein Beispiel ist das Onlinezugangsgesetz, das eine flächendeckende Digitalisierung von öffentlichen Dienstleistungen vorsah. Nach dem jüngsten Bericht des Normenkontrollrats ist nur ein geringer Teil der vorgesehenen Dienstleistungen nach fünf Jahren digitalisiert. Auch drei Bürokratieentlastungsgesetze haben bisher kaum Fortschritte gebracht.
Je digitaler die Welt wird, umso offenkundiger werden die Defizite unserer Verwaltung. Durch vereinzelte Maßnahmen lässt sich das bestehende System nicht reformieren. Eine konsequente Entrümpelung der bestehenden Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften ist nötig.
Alle Gesetze sollten digitalisierbar sein. Alle Daten, die Behörden für die Durchführung ihrer Dienstleistungen benötigen, sollten standardisiert in einer zentralen Datenbank erfasst, manuelle Schnittstellen und Medienbrüche eliminiert werden. Eine cloudbasierte IT-Architektur muss eingeführt werden, die ministeriums- und behördenübergreifend und von allen Gebietskörperschaften genutzt wird.
Das ist ein Mammutprojekt, das Jahre in Anspruch nehmen wird. Aber falls man es nicht rasch anpackt, wird die Attraktivität Deutschlands als Investitionsstandort leiden. Die Sorge vor einer Deindustrialisierung Deutschlands könnte dann Realität werden.
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