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  4. China: Kommunistische Partei treibt Abschottung vom Westen voran

Asia TechonomicsNiemand hat die Absicht, China dauerhaft abzuschotten

Chinas kommunistische Partei lässt historische Fakten neu interpretieren. Sie will damit die technologische und wirtschaftliche Entkopplung vom Westen vorantreiben.Sabine Gusbeth 08.09.2022 - 13:25 Uhr Artikel anhören

In den vergangenen Monaten wurde immer deutlicher, wie stark ideologiegetrieben der chinesische Staatschef ist.

Foto: AP

Chinas Staatsführung greift gern historische Analogien auf, um ihre Herrschaft und ihren Kurs zu rechtfertigen. Dabei kommt es durchaus vor, dass historische Fakten so zurechtgerückt werden, dass sie der Kommunistischen Partei gelegen kommen. So hat jüngst eine geschichtsrevisionistische Analyse für hitzige Debatten gesorgt. 

Darin wird die gängige Auffassung infrage gestellt, dass die Abschottung Chinas im Mittelalter, eine Art frühes Decoupling, maßgeblich zum Niedergang der früheren Hochkultur beigetragen habe und Ursache für die „Rückständigkeit“ des Landes gewesen sei.

Der Zeitpunkt der Veröffentlichung, kurz vor dem großen Parteitag im Oktober, ist kein Zufall. Er schürt die Sorge, dass die neue Führungsriege um den alten und ohne Zweifel neuen Parteichef Xi Jinping die Entkopplung vom Westen noch stärker vorantreiben wird.

In den vergangenen Monaten wurde immer deutlicher, wie stark ideologiegetrieben der Machthaber ist, obwohl er selbst nie ein Geheimnis daraus gemacht hat. Sein „Sozialismus chinesischer Prägung“ soll westliche, marktwirtschaftliche Demokratien, die sich ohnehin im Niedergang befänden, in den Schatten stellen.

Xi versteht es dabei, die Geschichte für seine politischen Zwecke zu nutzen. „Die Geschichte ist für die Menschen wie ein Spiegel, aus dem sie Weisheiten für die heutige Zeit ziehen können“, schrieb er der Chinesischen Akademie für Geschichte bei ihrer Gründung 2019 ins Stammbuch. 

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Foto: Klawe Rzeczy

Die Akademie ist just jene staatliche Einrichtung, die nun die viel diskutierte Analyse veröffentlicht hat, in der die Isolation Chinas während eines Großteils der Ming- (1368 – 1644) und Qing-Dynastie (1636 – 1912) verteidigt wird. Die Autoren argumentieren, dass die Politik der Abschottung dazu gedient habe, „aggressive westliche Kolonialmächte“ zu bekämpfen und Chinas „territoriale und kulturelle Integrität“ zu verteidigen. Das ähnelt beängstigend der chinesischen Propaganda von heute.

Beobachter fürchten deshalb, dass mit der Neuinterpretation der Geschichte die historisch-ideologische Grundlage für einen neuen langen Marsch gelegt werden könnte. Einen Marsch weg aus der globalisierten Welt. Das Bekenntnis der chinesischen Staatsführung zu einer Politik der offenen Tür gerät in Zweifel. Bislang gibt es keine Anzeichen, dass die chinesische Staatsführung die strikte Null-Covid-Politik und die damit verbundene anhaltende und rigorose Abschottung des Landes beenden könnte.

Pandemie als Ausrede für Abschottung

Die Pandemie könnte für die Staatsführung eine willkommene Ausrede für eine dauerhafte Isolation des Landes sein, fürchten Beobachter. Berichte, dass die Reisepässe chinesischer Bürger bei der Einreise nach China kurzerhand zerrissen werden, passen in dieses Bild. Der Vertreter eines chinesischen Unternehmens gab hinter vorgehaltener Hand zu, er fürchte, dass China sich mehr und mehr abschotte.

Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine und der Zuspitzung des Taiwankonflikts sind zusätzliche Konfliktherde zwischen China und dem Westen aufgeflammt. Die Staatsführung unter Xi Jinping verfolgt bereits seit 2020 eine Entkoppelungsstrategie vom Westen. Jüngst pries er vor Genossen die bisherigen Erfolge: Die Abhängigkeit Chinas vom Handel mit dem Ausland habe sich zwischen 2006 und 2019 von 67 Prozent auf 32 Prozent halbiert. Soll die Corona-Schock-Kur beweisen, dass die chinesische Wirtschaft auch ohne den Westen prosperieren kann?

Verwandte Themen China Xi Jinping Coronavirus Berlin Ukraine Software

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Einer der bekanntesten nationalistischen Onlinekommentatoren, Hu Xijin, verurteilte die Diskussionen um die neue Analyse. Es gäbe keinerlei Anzeichen, dass China plane, sich abzuschotten, schrieb der ehemalige Chefredakteur des Parteisprachrohrs „Global Times“. Wie sagte einst ein Regierung- und Parteichef im real existierenden deutschen Sozialismus: „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten“.

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