Asia Techonomics: Japan hängt Deutschland beim Werben um Chipfabriken ab
Der Chip-Auftragsfertiger aus Taiwan errichtet bereits sein zweites Werk in Japan.
Foto: ReutersTokio. Der G7-Gipfel in Hiroshima hat industriepolitisch eines gezeigt: Japan ist bei der Ansiedlung von Chipgiganten viel weiter als Deutschland. Kurz bevor die Staats- und Regierungschefs der sieben traditionellen Industrienationen und die Spitzen der Europäischen Union einflogen, hatte Japans Regierungschef Fumio Kishida die Chefs von sieben global agierenden Halbleiterriesen nach Tokio eingeladen.
Dazu gehörten Mark Liu, Chef des auch von Deutschland umworbenen Auftragsherstellers Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC), Intel-Chef Pat Gelsinger, Micron-Chef Sanjay Mehrotra sowie das Führungspersonal von Samsung Electronics, IBM, Applied Materials und der belgischen Forschungsgruppe Imec, die Chips entwirft.
Kishida tat, was die EU und Deutschland nicht anders machen: Er lockte die Konzerne mit Subventionen. „Die japanische Regierung wird konzertierte Anstrengungen unternehmen, um Direktinvestitionen in Japan weiter auszubauen und die Halbleiterindustrie zu unterstützen“, versprach der Regierungschef den Managern. Doch es gibt einen Unterschied.
Japans Ministerpräsident Fumio Kishida (Mitte) empfing im Vorfeld des G7-Treffens unter anderem Intel-Chef Pat Gelsinger (l.), TSMC-Chef Mark Liu (2.v.r.) und Micron-Chef Sanjay Mehrotra (r.).
Foto: BloombergWährend Deutschland noch auf die Entscheidung von TSMC über eine mögliche Chipfabrik in Dresden wartet, häufen sich in Japan bereits die zählbaren Erfolge. Die Wirtschaftszeitung „Nikkei“ hat ausgerechnet, dass globale Chiphersteller inklusive der Zusagen vom vergangenen Donnerstag seit 2021 bereits fast 14 Milliarden Euro im Land investiert haben oder zumindest versprochen haben, dies zu tun.
Der Durchbruch gelang schon früh mit TSMC: Das Unternehmen errichtet in Japan nicht nur Forschungszentren, sondern baut auch eine Chipfabrik – und plant bereits eine zweite. Im vergangenen Jahr hat sich dann IBM mit dem von der örtlichen Industrie unterstützten Chip-Start-up Rapidus zusammengetan, um in Japan die nächste Chipgeneration zu bauen. Dabei geht es um Chips mit Strukturen von nur noch zwei Nanometern. Die belgischen Forscher von Imec wollen dabei helfen.
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Samsung aus Südkorea folgte kurz vor dem G7-Treffen mit der Ankündigung, seine Chipforschung in Japan auszubauen. Micron-Chef Mehrotra hatte sich sein Gastgeschenk für den Chipgipfel aufgehoben. Er kündigte an, in den kommenden Jahren bis zu 500 Milliarden Yen, rund 3,4 Milliarden Euro, in Japan zu investieren.
Darunter ist auch eine Fabrik für sogenannte DRAM-Speicherchips in Kishidas Heimatstadt Hiroshima, dem Austragungsort des G7-Gipfels. Außerdem hat Applied Materials 800 neue Arbeitsplätze für Ingenieure versprochen.
In der wöchentlichen Kolumne schreiben Handelsblatt-Korrespondenten im Wechsel über Innovations- und Wirtschaftstrends in Asien.
Foto: Klawe RzeczyAuch die Regierungen anderer Länder haben Japan als engen Partner in ihrem Streben nach wirtschaftlicher Sicherheit und robusteren Lieferketten entdeckt. Die USA schlossen im vergangenen Jahr eine Chipallianz mit ihrem engsten asiatischen Verbündeten. Vergangene Woche zog Großbritannien nach und besiegelte im Rahmen eines „Hiroshima-Abkommens“ ebenfalls ein Halbleiterbündnis.
Dabei geht es unter anderem um eine engere Zusammenarbeit bei der Chipentwicklung, bei der britische Unternehmen stark sind. Der Apple-Partner ARM etwa dominiert das Design von Mobilfunkchips und expandiert auch bei Computern und Anwendungen für Künstliche Intelligenz. Zudem hat ARM starke Verbindungen nach Japan: Das Unternehmen gehört dem Technologieinvestor Softbank, der das Unternehmen in diesem Jahr an die Börse bringen will.
Warum Japan im Wettrennen um Chipfabriken mit vorn liegt
Ein Grund für den wachsenden Vorsprung ist, dass Japan das Thema wirtschaftliche Sicherheit früh erkannt hat. Als Donald Trump US-Präsident wurde und sein Land in einen Handelskrieg mit China führte, setzte Tokio auf eine offensive Industriepolitik und suchte handels- und sicherheitspolitisch verstärkt nach Partnern.
Die wachsende Angst vor China war ein Grund, die Sorge, den Partner USA unter Trump zu verlieren, ein anderer. Japan lockte TSMC früh mit staatlichen Subventionen und der Beteiligung starker heimischer Konzerne. So sind der Elektronikkonzern Sony und der Autozulieferer Denso am japanischen TSMC-Werk beteiligt.
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Hinzu kommt, dass Japan aufgrund seiner früheren Industriepolitik mit einem großen Vorsprung in das Rennen gestartet ist. Schließlich war Japan in den 1980er-Jahren der größte Chiphersteller der Welt. Regierung wie Unternehmen haben durch eine konzertierte Konsolidierungspolitik dafür gesorgt, dass die Halbleiterindustrie nie ganz abgestorben ist.
So verfügt das Land nach wie vor nicht nur über eine heimische Chipfertigung, sondern auch über Entwickler, Materialhersteller und Anlagenbauer, ohne die die globale Chipindustrie nicht funktionieren kann. Damit ist Japan einer der wichtigsten Halbleiterstandorte der Welt geblieben. Und die Regierung hat bisher genug Weitsicht, Ausdauer und finanzielle Unterstützung bewiesen, um diese Position in der neuen geopolitischen Ära zumindest zu verteidigen, wenn nicht auszubauen.
In der Kolumne Asia Techonomics schreiben Nicole Bastian, Sabine Gusbeth, Dana Heide, Martin Kölling und Mathias Peer im Wechsel über Innovations- und Wirtschaftstrends in der dynamischsten Region der Welt.