Beyond the obvious: Deutschland steckt in der Lohnfalle
Der Europäische Gerichtshof hat in der vergangenen Woche der Klage Dänemarks und Schwedens gegen die europäische Mindestlohnrichtlinie teilweise recht gegeben. So bleibt die Festlegung des Mindestlohns allein in der Zuständigkeit der Nationalstaaten. Das ist gut, gab es doch hierzulande immer wieder unter Berufung auf die Kriterien der europäischen Richtlinie zum Medianlohn die Forderung, den Mindestlohn auf 15 Euro anzuheben. Diese Forderung dürfte nicht verstummen, hat nun aber aus dem EU-Recht heraus keine vermeintliche Legitimation mehr.
Bei dieser Diskussion sollten wir nicht vergessen, dass Deutschland 2025 auf das dritte Rezessionsjahr in Folge zusteuert. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte bereits 2023 um 0,9 Prozent und 2024 um 0,5 Prozent.
Die längste Schwächephase in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Gleichzeitig liegt der Zuwachs der Arbeitsproduktivität im Zeitraum 2020 bis 2024 mit nur 0,3 Prozent pro Jahr auf einem historischen Tiefstand. Das ist nicht gerade das richtige Umfeld für politisch betriebene Lohnsteigerungen.
Befürworter des Mindestlohns und vor allem weiterer Steigerungen desselben verweisen auf den bisherigen Erfolg: In der Tat hatte der deutliche Anstieg des Mindestlohns seit seiner Einführung 2015 von 8,50 Euro je Stunde auf heute 12,82 Euro keinen messbar negativen Effekt auf die Beschäftigung. Trotz einer durchschnittlichen Lohnsteigerung von fünf Prozent pro Jahr, die nach Inflation zu real rund 15 Prozent höheren Mindestlöhnen geführt hat.
In den kommenden zwei Jahren soll der Mindestlohn in Schritten über 13,90 Euro (2026) auf 14,60 Euro (2027) um weitere 14 Prozent steigen. Die Optimisten erwarten auch künftig keine negative Beschäftigungswirkung und betonen, dass es doch nur gerechtfertigt ist, dass man von seinem Einkommen leben können muss.
Wer möchte da schon widersprechen? Das Problem ist nur, dass die Zeit der deutlichen Steigerungen des Mindestlohns eine besonders gute Phase in der deutschen Wirtschaftsgeschichte gewesen ist. Zum einen entwickelte sich die Wirtschaft bis zur Corona-Krise gut, zum anderen erhöht der absehbare demografische Wandel bereits heute die Nachfrage nach Arbeitskräften.
Daraus zu schließen, man könne einfach so weitermachen wie bisher, könnte sich als naiv erweisen. Das schwache Produktivitätswachstum in Verbindung mit steigenden Löhnen führt zu einer Verschlechterung der Lohnstückkosten, und diese sind nach Einschätzung des Sachverständigenrates noch vor den hohen Energiekosten der Hauptgrund für den Rückgang der preislichen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Unternehmen verlieren Umsatz und Marge, was wiederum negativ auf die Fähigkeit und Bereitschaft zu Investitionen im Inland wirkt.
Neuere Studien verweisen zudem auf einen möglichen negativen Produktivitätseffekt des Mindestlohns. Effrosyni Adamopoulou und ihre Kollegen vom Mannheimer Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zeigen in einer aktuellen Studie auf, dass Mindestlöhne im Falle eines externen Schocks nicht nur dazu führen, dass Mitarbeiter im unteren Einkommensbereich entlassen werden, sondern auch dazu, dass sich die Produktivität im Unternehmen verringert und in der Folge auch die Gehälter von besser bezahlten Mitarbeitern sinken, und zwar stärker, als es allein durch den wirtschaftlichen Schock erklärbar wäre. Leider ist das Szenario weiterer ökonomischer Schocks für die deutsche Wirtschaft nicht von der Hand zu weisen, was diese Erkenntnis umso relevanter macht. Der Mindestlohn wäre dann ein weiterer Krisenverstärker.
Licht und Schatten beim Mindestlohn
Hauptprofiteur des Mindestlohns ist zudem der Staat, wie Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bei der Bundesagentur für Arbeit vorrechnet. Immerhin 40 Prozent der Bruttolohnsteigerung landet beim Staat. Dazu kommen noch die Sozialabgaben der Arbeitgeber von etwa 20 Prozent.
Statt also den Mindestlohn weiter zu erhöhen, sollte der Staat die Nettoeinkommen in den Fokus nehmen und Steuern und Abgaben deutlich senken. Das wäre sozial gerecht und würde den Standort Deutschland stärken.