Beyond the obvious: Wachstumsverzicht ist ein Märchen und keine Wissenschaft

Die Forderung nach Wachstumsverzicht, um das Klima zu schützen, findet breite mediale Aufmerksamkeit. Bestsellerautoren wie Ulrike Herrmann und Kohei Saito fordern nicht weniger als die Abschaffung des Kapitalismus und die gezielte Schrumpfung der Wirtschaft – Degrowth als angeblich letzte Hoffnung, den Planeten zu retten.
Der japanische Philosoph Saito geht sogar so weit, einen „Degrowth-Kommunismus“ zu propagieren, der nicht auf Wachstum, sondern auf Verlangsamung, Umverteilung und kollektive Genügsamkeit setzt. Die Medien greifen es gerne auf, in Talkshows sind die Autoren gern gesehene Gäste und die politische Linke hat ein Argument für ihre radikalen Forderungen.
Doch wie belastbar sind die wissenschaftlichen Fundamente dieser Vision wirklich?
Es fehlt jede empirische Fundierung
Die Faktenlage ist ernüchternd. Eine umfassende Metastudie von Ivan Savin und Jeroen van den Bergh zeigt: Fast 90 Prozent der 561 untersuchten Degrowth-Studien basieren auf Meinungen, nicht auf belastbaren Analysen. Quantitative Modelle? Fehlanzeige. Repräsentative Daten? Mangelware.
Stattdessen dominieren kleine Fallstudien – bevorzugt auf Inseln mit wenigen Tausend Einwohnern. Die Übertragbarkeit auf komplexe Volkswirtschaften? Praktisch null. Politische Empfehlungen werden ohne empirische Fundierung abgegeben, die Machbarkeit radikaler Schrumpfungsstrategien bleibt ebenso unbeantwortet, wie ihre gesellschaftlichen Folgen.

Die Lüge vom Wachstumsverzicht
Die politische Realität sieht ohnehin anders aus. Degrowth findet kaum Unterstützung in der breiten Bevölkerung, wie verschiedene Studien zeigen, so die Metastudie.
Kein Wunder: Wer offen den Verzicht auf Wohlstand, Konsum und individuelle Freiheiten predigt, erntet mehr Angst als Applaus.
Die Vorstellung, dass sich Klimaziele allein durch wirtschaftliche Schrumpfung erreichen lassen, ist zudem naiv. Um die CO₂-Emissionen um 80 bis 99 Prozent zu senken, müsste das globale Aktivitätsniveau in ähnlicher Größenordnung reduziert werden – ein sozialer und ökonomischer Kahlschlag, der nicht durchsetzbar ist und dessen Folgen niemand seriös abschätzen kann.
Was bleibt, ist ein gefährlicher Hang zum Dogmatismus. Die Degrowth-Literatur ignoriert systematisch technologische Alternativen, verkennt die Potenziale von Innovation und Effizienz und blendet die komplexen Wechselwirkungen moderner Volkswirtschaften aus. Statt auf marktwirtschaftliche Anreize, technologische Sprünge und intelligente Regulierung zu setzen, werden Verbote, Rationierungen und Umverteilung als Allheilmittel verkauft – mit dem Risiko, ein gigantisches gesellschaftliches Experiment ohne Absicherung zu starten.
Degrowth ist keine wissenschaftlich fundierte Strategie. Die ökologische Transformation gelingt nicht durch die Rückkehr zu einer Art Kriegswirtschaft, sondern durch marktwirtschaftliche Instrumente, technologische Innovation und eine Politik, die auf Anreize statt auf Verbote setzt.
Wer das Klima retten will, muss die Menschen mitnehmen, nicht bevormunden. Und wer wirklich Verantwortung übernimmt, stellt sich der Realität: Wohlstand, Freiheit und Nachhaltigkeit sind keine Gegensätze – sie sind nur gemeinsam erreichbar.
Weniger Ideologie, mehr Analyse: Das ist die Debatte, die Deutschland jetzt braucht.


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Erstpublikation: 06.07.2025, 09:20 Uhr.






