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EU-KolumneDer EU geht das Geld aus

Europa wird von einer Vielfachkrise heimgesucht, doch die Handlungsfähigkeit der EU schwindet. Mit ihrem derzeitigen Haushalt ist sie ihren Herausforderungen nicht gewachsen.Moritz Koch 05.06.2023 - 11:59 Uhr
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Die EU unterstützt die Ukraine angesichts des russischen Angriffskrieges, doch die Mittel für die Hilfen schwinden.

Foto: AP

Der Ukrainekrieg und der kalte Entzug von russischem Gas. Die ersten Auswirkungen des Klimawandels und die Spätfolgen der Pandemie. Der Migrationsdruck und nun auch noch steigende Zinskosten: Wohl nie zuvor wurde Europa von so vielen Krisen gleichzeitig getroffen. Wenig spricht dafür, dass diese Lagebeschreibung eine Momentaufnahme bleibt. Im Gegenteil.

Die Vielfachkrise entwickelt sich zum Dauerzustand – und überwältigt die finanziellen Ressourcen der EU. Die Haushaltsreserven der Union sind praktisch aufgezehrt, die verbliebenen Milliarden längst verplant. Herausforderungen für die europäische Politik wachsen, aber ihre Handlungsfähigkeit schwindet.

Ein Thema, das außerhalb Brüssel wohl nur Spezialisten interessiert, drängt damit ins Zentrum der europapolitischen Debatte: die Überprüfung des EU-Haushalts. Johannes Hahn, der zuständige Kommissar, wird diese Woche zunächst Vorschläge für den Haushalt 2024 präsentieren und dann, voraussichtlich Mitte des Monats, die Halbzeitbilanz des Finanzrahmens für die Jahre 2021 bis 2027 vorlegen. 

Doch wer einen Befreiungsschlag erwartet, dürfte enttäuscht werden. Die Bereitschaft, Geld nachzuschießen, ist gering, gerade in Deutschland, dem wichtigsten Nettozahler der EU. Auch gegen Pläne des EU-Parlaments, die Kommission mit mehr eigenen Einnahmen auszustatten, regt sich in den Mitgliedstaaten Widerstand.

Nur auf den ersten Blick sind die Summen im EU-Haushalt eindrucksvoll. Der sogenannte Mehrjährige Finanzrahmen umfasst mehr als eine Billion Euro. Hinzu kommt der mit 750 Milliarden Euro gespeiste Corona-Wiederaufbaufonds.

Der Autor: Jede Woche analysiert Moritz Koch, Leiter des Handelsblatt-Büros in Brüssel, im Wechsel mit anderen Brüsseler Korrespondenten in der EU-Kolumne Trends und Konflikte, Regulierungsvorhaben und Strategiekonzepte aus dem Innenleben der Europäischen Union. Denn wer sich für Wirtschaft interessiert, muss wissen, was in Brüssel läuft. Sie erreichen ihn unter: koch@handelsblatt.com

Foto: Handelsblatt

Allerdings strecken sich die Ausgaben auf sieben Jahre. Und: Etwa 80 Prozent der Haushaltsmittel sind fest verplant, etwa für die gemeinsame Agrarpolitik oder den Kohäsionsfonds, der die Wirtschaftskraft in Europa angleichen soll. 

EU hat viele Pflichtausgaben – aber wenig Flexibilität

So bleiben weniger als 30 Milliarden Euro pro Jahr, um die Ukraine zu unterstützen, die Energietransformation zu beschleunigen, die Chipindustrie zu stärken, die heimische Clean-Tech-Produktion anzukurbeln, neue Rohstoffquellen zu erschließen und sich Chinas Seidenstraßen-Initiative entgegenzustemmen.

In diesem Jahr wird Hahn schon die letzten Reserven aus dem Sieben-Jahres-Etat herausquetschen müssen. Kein Wunder, dass sich die EU-Kommission auf Hütchenspielertricks und Ankündigungspolitik verlegen muss. 

In ein starres Korsett von Pflichtausgaben gezwängt, kann die EU nicht zur geopolitischen Macht aufsteigen. Mit der derzeitigen Haushaltsstruktur ist Europa seinen Herausforderungen nicht gewachsen.

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Die Überprüfung des Budgets muss deshalb dazu führen, dass EU-Mittel künftig flexibler genutzt werden dürfen – zur Bewältigung von Krisen, zur Förderung neuer Forschungsprojekte und, ja, bei aller gebotenen Vorsicht, für eine gemeinsame Industriepolitik. Eine handlungsfähige EU ist jeden Euro wert.

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