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Europa-Kolumne Der verborgene Machtkampf ums Klima

In Brüssel werden gerade die wichtigen Posten der sogenannten Berichterstatter meistbietend versteigert. Das Ergebnis kann die Klimapolitik prägen.
07.09.2021 - 12:26 Uhr Kommentieren
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Christoph Herwartz

Christoph Herwartz, Korrespondent im Handelsblatt-Büro in Brüssel, analysiert Trends und Konflikte, Regulierungsvorhaben und Strategiekonzepte aus dem Innenleben der EU. Denn wer sich für Wirtschaft interessiert, muss wissen, was in Brüssel läuft. Sie erreichen ihn unter: [email protected]

Brüssel Im Europäischen Parlament läuft gerade ein Machtkampf, über den selten berichtet wird und dessen Regeln auch Politikwissenschaftlern oft unbekannt sind. Wer ihn gewinnt, wird über Jahre eine herausgehobene Position haben, in Medien zitiert werden und seinen Namen mit wichtigen Gesetzen verknüpfen.

Es geht um die Berichterstatter der Ausschüsse des Parlaments. Sie werden sich mit „Fit for 55“, dem beispiellosen Gesetzespaket, das Europa den Weg zur Klimaneutralität öffnen soll, auseinandersetzen. Wegen der vielen verschiedenen Elemente dieses Pakets ist der Machtkampf besonders kompliziert. Im Prinzip spielt er sich immer ab, wenn die EU-Kommission einen Vorschlag macht und das Europaparlament daraus ein Gesetz formen soll.

Zunächst geht es darum, welcher Ausschuss ein Gesetz federführend bearbeiten darf. Bei manchen Gesetzen ist das absehbar. Zum Beispiel wird die Aufforstungsstrategie wohl im Agrar-Ausschuss landen. Bei anderen Gesetzen ist das hochumstritten. So könnten Gesetze, die den Flugverkehr betreffen, im Umweltausschuss richtig aufgehoben sein oder im Verkehrsausschuss.

Im Bundestag stellen sich solche Fragen praktisch nicht. Dort warten die Abgeordneten nach einer Bundestagswahl, bis das Parlament die Bundesregierung gewählt hat, und bilden dann entsprechend ihre Ausschüsse.

Im Europaparlament ist das anders. Die Ausschüsse sind seit Jahren die gleichen. In der Kommission werden die Zuschnitte aber immer wieder geändert. „Es ist ein strategischer Fehler des Parlaments, sich nicht so aufzustellen wie die Kommission“, sagt ein Abgeordneter. So würde Arbeit doppelt gemacht und zu viel gestritten. Eine Abgeordnete in einer koordinierenden Funktion sagt dagegen: „Es ist gut, dass wir nicht in Silos arbeiten und uns nicht zu sehr nach der Kommission richten.“

Wie die Fraktionen die Berichterstatter-Posten kaufen

Zumindest müssen im Europaparlament die Gesetze aufwändig an die Ausschüsse verteilt werden. Ein beim Parlamentspräsidenten angesiedeltes Gremium macht dafür die Vorschläge. Die Ausschussvorsitzenden verhandeln auf dieser Basis untereinander, woran auch die Vorsitzenden der Parlamentsfraktionen beteiligt sind. Wenn sie nicht einig werden, muss der Parlamentspräsident entscheiden.

Nach der Verteilung folgt ein Schritt, der noch komplizierter ist. Denn der Ausschuss muss einen Berichterstatter finden. Der vertritt in den Verhandlungen mit dem Europäischen Rat (Staats- und Regierungschefs der EU-Länder) und der EU-Kommission das gesamte Parlament und muss vorher einen Konsens mit den Ausschuss-Kollegen finden.

Das gibt ihnen viel Macht. Ein Abgeordneter, der ein Gesetz beeinflussen will, muss vor allem den Berichterstatter von seinen Ideen überzeugen. Lobbyisten versuchten in den letzten Wochen, die Entscheidung zu beeinflussen und die aus ihrer Sicht richtigen Leute als Berichterstatter zu fördern. Auch später werden sie sich vor allem an den Berichterstatter wenden.

Die Berichte können die Fraktionen kaufen. Dazu bekommt jede Fraktion am Anfang der Legislaturperiode Punkte, abhängig von ihrer Größe. In den meisten Ausschüssen gibt es einen festen Preis für jeden Bericht, und das Zugriffsrecht rotiert.

Im Umweltausschuss, der die meisten Klimaschutzgesetze behandeln soll, läuft es etwas anders. Dort gibt es ein Auktionssystem, durch das wichtige Berichte teurer werden als unwichtige. Wer sich früh genug positioniert und gute Absprachen trifft, kann auch schon mal ein Schnäppchen machen.

Viele der Gesetze hat der Umweltausschussvorsitzende Pascal Canfin an diesem Montag an die Fraktionen versteigert. Vier Gesetze gehen an die Konservativen, darunter die Reform des Emissionshandels und der Sozialfonds, der mit Milliardensummen die Härten der Transformation abmildern soll. Den umstrittenen CO2-Grenzausgleich wird ein Sozialdemokrat ausarbeiten. Die Liberalen werden für den CO2-Ausstoß von PKWs zuständig sein und die Grünen für die Landnutzungsverordnung.

Über all das wird in diversen Gremiensitzungen gesprochen, aber vor allem auf den Fluren und in den Restaurants des Parlaments. „Das läuft im Europaparlament wirklich gut“, sagt ein Abgeordneter. „Wir arbeiten auch in solchen Fragen über Parteigrenzen hinweg. Es geht da wirklich um die Inhalte.“

Mehr: Warum der Weg der EU beim Klimaschutz pragmatischer ist, als viele denken

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