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Globale TrendsWieso Kanzler Merz Europas Rüstungskooperation retten muss

Mit dem Programm für den Luftkampf der Zukunft (FCAS) steht das größte kooperative Verteidigungsprojekt auf der Kippe. Hat Deutschland zu oft nachgekartet?Thomas Hanke 07.11.2025 - 13:15 Uhr Artikel anhören
Modell: Sieht so das künftige europäische Kampfflugzeug aus? Foto: © Dassault Aviation - M. Douhaire

Gelingt es Bundeskanzler Friedrich Merz, Europas wichtigstes Verteidigungsvorhaben zu retten? Es geht um das Luftkampfsystem der Zukunft, das Future Combat Air System (FCAS). Unabhängig von den USA soll es Europa Luftüberlegenheit sichern und einen Angreifer schnell in die Defensive treiben. Es entstand aus der von der damaligen Kanzlerin Angela Merkel 2017 formulierten Einsicht, dass Europa sich nicht mehr auf die USA verlassen könne und seine Sicherheit in die eigenen Hände nehmen müsse.

Der Start der Phase zwei, der Bau von Vorläufermodellen, steht auf der Kippe. Die beiden Flugzeugbauer Airbus, dessen Rüstungssparte vor allem in Deutschland liegt, und die französische Dassault haben sich verkracht, wieder einmal. Es geht um die Frage, wer was macht und wie viel Geld an die Unternehmen fließt.

Dassault stehe nicht mehr zu der Arbeitsteilung und den Verfahren für die industrielle Führung, die 2021 vereinbart wurden, machen deutsche Industriekreise geltend. Dassaults Vorstandschef Eric Trappier sagt dagegen, er sei „völlig offen für die Zusammenarbeit, auch mit den Deutschen“. Aber „wenn sie alles alleine machen wollen, sollen sie es alleine machen.

Der wichtigste Teil von FCAS ist nicht das neue Kampfflugzeug, sondern das Luftkampfsystem („System of systems“). Das soll in Echtzeit Informationen von Satelliten mit anderen Daten verbinden und eine koordinierte Kampfführung in der Luft und am Boden ermöglichen.

Das Kampfflugzeug ist nur ein untergeordneter Teil, „aber der ist sichtbar und prestigeträchtig“, erklärt ein Insider den Streit, bei dem es auch um die Egos der Chefs gehe.

Dassault hat die industrielle Führung beim Kampfjet der Zukunft

Für das Luftkampfsystem hat Deutschland sich mit Airbus die Führung gesichert, auch für die Eurodrohne. Den „Next Generation Fighter“ (NGF) genannten Kampfjet, das wurde 2021 vereinbart, entwickelt Dassault führend – zum Ärger einiger Leute in der deutschen Industrie und Politik.

Dassault baut seit Jahrzehnten allein Kampfflugzeuge, aktuell den Kampfjet Rafale. Atomar bewaffnet, verkörpert er die französische Souveränität. Und er verkauft sich mittlerweile gut im Ausland, nachdem viele Jahre nur die französische Luftwaffe bestellt hat. Entsprechend breitbeinig tritt CEO Trappier auf, zur Not auch gegenüber dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der Dassault zur Kooperation gedrängt hat. Airbus hat allein noch kein Kampfflugzeug gebaut, der Eurofighter etwa ist ein Gemeinschaftsprojekt mit Großbritannien und Italien.

Die Kooperation mit Dassault ist schwierig. Doch werden auf deutscher Seite teils falsche Behauptungen an die Medien lanciert. So findet man bis heute die Information, Dassault habe 80 Prozent des Kampfjetprojekts für sich verlangt. Dabei sagte Dassault-CEO Eric Trappier bereits im Juli dieses Jahres: „Wir beanspruchen nicht 80 Prozent der Arbeiten, das ist keinesfalls die Forderung von Dassault.“

Der Ehrlichkeit halber muss man sagen, dass seit dem Projektstart 2017 die deutsche Seite nachgekartet hat. 2019 verlangte Berlin, aus dem deutsch-französischen FCAS solle ein deutsch-spanisch-französisches Projekt werden. Spanien hat aber weder technisch noch finanziell dieselbe Kragenweite wie Deutschland und Frankreich. Das wichtigste Asset sind außerdem die spanischen Werke von Airbus. Konsequenz: Aus einem 50:50-Projekt Airbus-Dassault wäre eines mit Zweidrittel- Gewicht für Airbus geworden. Madrid schaltete die staatliche Holding Indra ein. Die Franzosen gaben nach.

Dann verlangte Berlin, FCAS dürfe nur in Trippelschritten finanziert werden. So muss vor jeder Phase ein neuer Vertrag ausgehandelt und immer wieder die Mittelverteilung bestimmt werden. Außerdem sollten FCAS und der deutsch-französische Panzer der Zukunft (MGCS), bei dem Deutschland die Führung hat, nur noch parallel vorangehen.

Handelsblatt-Autor Thomas Hanke analysiert in der Kolumne interessante Daten und Trends aus aller Welt. Foto: Klawe Rzeczy

Weitere deutsche Zusatzforderung: Auch Rheinmetall sollte in das Panzerprojekt integriert werden. Das störte das Gleichgewicht und verärgerte die Franzosen extrem.

2024 aber vereinbarte Rheinmetall mit dem italienischen Konzern Leonardo den Bau eines eigenen Panzers. Auch die deutsche Bestellung amerikanischer F35-Jets als Ersatz für den europäischen Tornado weckte in Frankreich Zweifel, ob Deutschlands Engagement für das europäische Rüstungsprojekt wirklich belastbar ist.

Spanien entschied sich gegen den F35-Jet. Die deutsche Industrie argumentiert, dass der von Lockheed Martin produzierte Jagdbomber atomwaffenfähig ist und die deutsche Luftwaffe anders als die französische bei FCAS keinen zweiten Jagdbomber brauche. Vielleicht müsse man zwei verschiedene Flieger bauen.

Das Problem ist allerdings, dass die F35-Jets in die kommende europäische „Combat Cloud“, das digitale Gefechtssystem, eingebunden werden müssten. Da die Amerikaner die technische Kontrolle über die F35 nicht aus der Hand geben, hätten sie einen Hebel, voll in die europäische Technik eingeweiht zu werden. Das war nicht die Anfangsidee von Merkel und Macron, die Unabhängigkeit von den USA wollten.

Querschüsse aus Deutschland

Dazu kommen die wiederholten Querschüsse gegen die französische Führung beim NGF-Flieger. Der Betriebsrat bei Airbus Defence and Space argumentierte 2021, in Bayern gingen Arbeitsplätze verloren, wenn Deutschland nicht ein eigenes Vorläufermodell des künftigen Jets baue. Im September 2025 verlangte Betriebsratschef Thomas Pretzl dann offen, Dassault aus dem FCAS-Projekt zu verdrängen.  Jüngst tönte sogar der CDU-Abgeordnete Volker Mayer-Lay: „FCAS muss sterben.“

Man könne FCAS ersetzen, wird behauptet. Etwa durch eine Mitarbeit beim britisch-italienisch-japanischen Tempest-Programm. Ein Trugschluss: „Die Tempest-Arbeiten sind bereits aufgeteilt, das gemeinsame Unternehmen ist gegründet, da wäre es sehr schwer für Deutschland, als Vollpartner hineinzukommen“, stellt Emil Archambault fest, Verteidigungsexperte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Deutschland würde wohl nur Juniorpartner.

„Die beste Lösung ist es, FCAS zum Erfolg zu führen, die Alternativen sind auf jeden Fall nicht billiger und einfacher“, urteilt Archambauld. Und der Insider wirft die Frage auf: „Was nützt es, ein großes Ego zu haben, aber keine Projekte – und dann Arbeitsplätze abbauen zu müssen?“ Man müsse kompromissbereit sein, schließlich sei auch 2021 die Einigung mit Dassault gelungen.

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Bundeskanzler Merz steht vor der schwierigen Aufgabe, eine Lösung zu finden. FCAS zu beenden, würde Frankreich und Spanien, das gerade eine neue Förderung für das Projekt beschlossen hat, vor den Kopf stoßen. Es würde die europäische Rüstungskooperation gefährden und bereits getätigte Investitionen entwerten.

Merz hat ein wichtiges Argument: Ohne FCAS-Einigung gibt es überhaupt keinen vergleichbaren Großauftrag, weder für Airbus noch für Dassault. Denn auch Frankreich allein kann keinen Ersatz für FCAS stemmen.

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