Kommentar: Superjet FCAS – Es ist Zeit für eine Entscheidung

Mal sind es Drohnen in der Nacht, mal Kampfjets am helllichten Tag. Mal gibt sich Russland offen als Verletzer des Luftraums zu erkennen, mal kann man die russischen Drahtzieher nur vermuten. Sicher ist: Noch nie war die NATO-Ostgrenze so gefährdet wie in diesen Tagen. Und noch nie war es so wichtig, Radare, Kampfjets und Aufklärungsdrohnen so nah am Geschehen zu haben wie heute.
Während die NATO immer mehr Kampfflugzeuge und Aufklärer Richtung Polen und Baltikum schickt, streitet die Industrie um Kompetenzen. Future Combat Air System (FCAS) heißt das Projekt, in dem Deutschland, Frankreich und Spanien den Kampfjet samt Begleitdrohnen der Zukunft bauen wollen.
FCAS, das allein in der Entwicklung mehrere zig Milliarden Euro verschlingen dürfte, soll die europäische Souveränität auf Jahrzehnte sichern. Doch immer offener streiten die Beteiligten.
Der französische Flugzeugbauer Dassault und seine Zulieferer beharren auf einer Führungsrolle, die Airbus-Rüstungstochter pocht auf geschlossene Verträge, die aus deutscher Sicht Augenhöhe garantieren. Die Airbus-Betriebsräte sprechen sich mittlerweile offen für einen Bruch mit Dassault aus. Das Airbus-Management ist vorsichtiger und wartet auf eine Entscheidung der Politik. Die sollte möglichst bald Konsequenzen ziehen. Denn FCAS ist ein Pferd, dass sich so nicht satteln lässt.
Konkurrenten sind schlechte Partner
Das liegt zum einen an den Unternehmen Airbus und Dassault, die eigentlich erbitterte Konkurrenten sind. Die mehrheitlich in Deutschland angesiedelte Rüstungstochter des Airbus-Konzerns hat traditionell BAE Systems und Leonardo als Partner, gemeinsam hat man den Tornado und den Eurofighter entwickelt. Dassault hält sich hingegen lieber aus europäischen Gemeinschaftsprojekten heraus und hat parallel zum Eurofighter den Kampfjet Rafale entwickelt. Diese ungleichen Partner in ein Projekt zu zwingen, folgte mehr einem politischen Wunsch als einer industriellen Logik.
Entsprechend kompliziert ist das Vertragswerk über die Arbeitsteilung zu Triebwerken, Drohnen und Flugsteuerungen. Ziel ist eine möglichst gerechte Verteilung der Wertschöpfung links und rechts des Rheins.
Geo-Return heißt das Prinzip, das Europa gerne bei gemeinsamen Projekten in der Luft und Raumfahrt anwendet. Doch es funktioniert nicht mehr. Weder in der Raumfahrtindustrie, in der Elon Musk mit Space X die Europäer vorführt. Noch in der Rüstungsindustrie, wo wir seit jetzt mehr als sieben Jahren darüber diskutieren, wer wofür an dem Superflieger FCAS zuständig sein soll.
Jetzt, wo aus den Powerpoint-Vorlagen endlich ein Flugzeug werden soll, sind diese Fragen weiterhin nicht geklärt. Das sind Luxusdiskussionen, die man sich in friedlicheren Zeiten leisten konnte. Aber da sind wir nicht mehr. Wir haben keine Zeit mehr für diesen Streit angesichts der massiven Bedrohung durch Russland.
Entscheiden muss die Politik. Die Bundesregierung unternimmt offenbar noch einen Anlauf, um FCAS zu retten. Das ist ehrenhaft, denn die Partnerschaft zu Frankreich ist für Deutschland von überragender Bedeutung. Falsch wäre es aber bei FCAS faule Kompromisse einzugehen, in der Hoffnung, dass sich die Probleme in der Industrie von selbst regeln.
Dann sollte die Bundesregierung lieber jetzt einen Schnitt machen und sich neue Partner für die deutsche Industrie suchen. Die stehen bereit. BAE Systems wäre eine erprobte Alternative, die schwedische Saab wäre eine neue Variante. Saab ist seit Jahren im militärischen Flugzeugbau erfolgreich. Und die Schweden wissen sehr genau, dass die Zeit für nationale Eitelkeiten endgültig vorbei ist.
