Kolumne: Asia Techonomics: Mega-Solarfarm in Australien soll Singapur mit erneuerbarem Strom versorgen

In der wöchentlichen Kolumne schreiben Handelsblatt-Korrespondenten im Wechsel über Innovations- und Wirtschaftstrends in Asien.
Bangkok. Es ist eine Idee, die es so lange gibt, wie Solarzellen an den Dächern hängen: Warum nicht einfach riesige Solarkraftwerke in der Wüste bauen, wo die Sonne fast immer scheint, und den Strom dann von dort in die chronisch bewölkten Ballungszentren im Norden schicken?
Der deutsche Physiker Gerhard Knies machte für diese Vorstellung bereits Anfang des Jahrtausends umfassend Werbung: Er zeigte eine Weltkarte mit einem vergleichsweise winzigen roten Quadrat, das er über einen Teil der Sahara legte. Würde man dort diese Fläche, die wohl in etwa so groß wie Bayern sein sollte, mit Solarzellen bedecken, könnte man damit die globale Stromnachfrage abdecken, erklärte er.
Aus Knies' Vision entstand die Initiative Desertec, mit der Unternehmen wie Siemens, RWE und Eon riesige Mengen an Wüstenstrom erzeugen und damit sowohl Nordafrika als auch Europa versorgen wollten. Realität wurde das ambitionierte Konzept aber bisher nicht. Kosten und technologische Hürden waren lange Zeit zu hoch, um tatsächlich Sonnenenergie vom Äquator über Tausende Kilometer an ihr Ziel zu leiten.
Doch zwei Jahrzehnte nach den ersten Vorschlägen zu dem Sahara-Projekt könnte die Idee nun am anderen Ende der Welt Wirklichkeit werden: Nach den Plänen von privaten Investoren und Behörden könnte der südostasiatische Stadtstaat Singapur bald einen erheblichen Teil seines Stroms von Solarkraftwerken aus dem fernen Australien beziehen.
Das Projekt mit dem Namen Australia-Asia Power Link soll die fünfeinhalb Millionen Einwohner große Finanzmetropole über ein 4200 Kilometer langes Kabel, das größtenteils durch das Meer verläuft, mit dem Norden Australiens verbinden.
Dort sind 12.000 Hektar an Solarpanelen mit einer Höchstleistung von 17 bis 20 Gigawatt geplant. Sie sollen in Zukunft 15 Prozent von Singapurs Elektrizitätsbedarf abdecken können, rechnet das singapurische Unternehmen Sun Cable vor, das die Initiative verantwortet. Singapur könnte seine Energieversorgung damit nicht nur umweltfreundlicher machen, sondern auch diversifizieren: Bisher stammen 95 Prozent des Stroms in dem Land aus Gaskraftwerken.
Umfangreiche Unterstützung durch die Behörden
Hinter dem Plan stehen zahlungskräftige Geldgeber wie die australischen Milliardäre Mike Cannon-Brookes und Andrew Forrest. Letzterer ist gerade dabei, seinen Bergbaukonzern Fortescue Metals Group zu einem Erneuerbare-Energien-Konglomerat umzubauen und will unter anderem Deutschland mit grünem Wasserstoff versorgen. Für das Solarprojekt mit Singapur wollen die Initiatoren rund 22 Milliarden US-Dollar in die Hand nehmen. Der Baubeginn ist für kommendes Jahr angesetzt. Ab 2027 soll dann der Strom fließen.
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Die Behörden in Australien zeigen sich überzeugt, dass die Pläne – anders als bei Desertec – tatsächlich umgesetzt werden. Die Regierung des Bundesterritoriums Northern Territory kündigte diese Woche umfangreiche Unterstützung für das Projekt an – unter anderem mit einem speziellen Gesetz, das die Projektsicherheit erhöhen soll und Sun Cable dabei helfen werde, „die Projektfinanzierung zu sichern“.






Regierungschef Michael Gunnar betonte: „Die Gesetzgebung gibt Sicherheit für das Projekt.“ Dieses bezeichnete er als wichtigen Wirtschaftsmotor und als Möglichkeit für die Region, sich als Erneuerbare-Energien-Exporteur bekannt zu machen.
Sollte das Vorhaben funktionieren, wäre es aber nicht nur ein Erfolg für Australien und Singapur – sondern ein echter Meilenstein in der globalen Energieversorgung. Das Projekt könnte beweisen, dass kontinentübergreifende Ökostromprojekte dank des technologischen Fortschritts der vergangenen Jahrzehnte kein Hirngespinst mehr sind, sondern eine echte Alternative, über die auch Europa wieder nachdenken sollte. Am Ende zeigt sich womöglich, dass der Ende 2017 verstorbene Desertec-Vordenker Gerhard Knies seiner Zeit wohl einfach ein wenig voraus war.
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