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Kolumne „Kreative Zerstörung“iPhone-Momentum 2.0 – Der Apfel fällt ganz nah am Stamm

Es wirkt so, als wäre KI überall, dabei ist sie in vielen Bereichen noch nicht angekommen. Einige sagen: Apple hat den KI-Zug verschlafen. Dabei verfolgt es eine sehr schlaue Strategie. 18.06.2024 - 18:15 Uhr
In dieser Kolumne schreibt Miriam Meckel 14-täglich über Ideen, Innovationen und Interpretationen, die Fortschritt und ein besseres Leben möglich machen. Foto: Klawe Rzeczy

Es sind nun 567 Tage seit dem Urknall von ChatGPT. Und doch komme ich immer mal wieder mit Menschen ins Gespräch, die davon weitgehend unberührt leben. Da ist der Professor, der „fast noch nichts“ mit der KI macht, obwohl er weiß, dass sie ihn in der eigenen Produktivität vermutlich enorm unterstützen könnte.

Oder der Vorstand eines großen Unternehmens, der zugibt, es bislang nicht mal ausprobiert zu haben. Ich staune und nehme zur Kenntnis: Veränderung braucht ihre Zeit.

Wie war das mit dem iPhone-Moment der KI? Ein Blick zurück: Da war die öffentliche Vorstellung des iPhones durch Apple-Chef Steve Jobs am 9. Januar 2007. Aber der Moment war eigentlich ein Momentum – eine Bewegung oder ein Zeitintervall, in dem sich etwas grundsätzlich verändert.

Beim iPhone hat es gut fünf Jahre gedauert, bis das Gerät als prominentester Vertreter der Kategorie Smartphone die bis dahin verbreiteten Mobiltelefone überholt hatte (in Ländern wie den USA ging es etwas schneller). Das war auch der Zeitpunkt, an dem das mobile Internet seinen Siegeszug für den Massenmarkt antrat. Veränderung braucht ihre Zeit.

Was lässt sich daraus für die generative KI ableiten? Zum einen war der 30. November, der Tag, an dem ChatGPT veröffentlicht wurde, zwar eine Art iPhone-Moment der Künstlichen Intelligenz. Aber es wird dauern, bis wir eine Marktdurchdringung sehen, die KI tatsächlich zur Massenanwendung macht.

Die lange Phase der Veränderung

Zum anderen ist das ganze Gerede um den bevorstehenden nächsten Winter der KI Bullenmist – eine verdreckte Spielwiese für die Pessimisten, die lieber alles scheitern sehen, als sich die Mühe zu machen, genau hinzusehen und zu analysieren.

Nach jeder technischen Innovation müssen wir eine Phase der Änderung des Nutzerverhaltens durchlaufen. Je komplexer die Technologie und je älter und selbstzufriedener die Bevölkerung, desto länger dauert diese Phase. Der amerikanische Soziologe Everett M. Rogers hat das bereits Anfang der 1960er-Jahre in seiner Theorie der „Diffusion of Innovation“ treffend beschrieben.

In Analogie zu Rogers sind derzeit vor allem die „Innovatoren“ und „Erstanwender“ engagiert. So langsam bewegen wir uns in die Phase, in der die „frühe Mehrheit“ beginnt, die Technologie auszuprobieren.

Diese neue Form der Künstlichen Intelligenz fordert unser Denken heraus, auch über uns selbst.
Miriam Meckel
Kommunikationswissenschaftlerin

Von den Kriterien, die nach Rogers über den Prozess der Verbreitung von Innovationen entscheiden, ist eines besonders spannend: die „Kompatibilität“. Sie fragt: Wie gut passt die Innovation zu bestehenden Werten, Verhaltensmustern oder Anwendungen? Bei der generativen KI ist ziemlich klar, dass wir eine Schwelle überschreiten, die bislang unbetreten war.

Laut US-Innovationsexperte Ethan Mollick werde nach ein paar Stunden mit generativen KI-Systemen klar, dass Large Language Models (LLMs) [...] sich nicht so verhalten, wie man es von einem Computer erwartet. „Stattdessen verhalten sie sich eher wie ein Mensch. Es dämmert einem, dass man es mit etwas Neuem, etwas Fremdem zu tun hat und dass sich die Dinge ändern werden.“ So beschreibt er es in seinem Buch „Co-Intelligence“.

Diese neue Form der Künstlichen Intelligenz fordert unser Denken heraus, auch über uns selbst. Da fällt der Apfel ganz nah am Stamm – und das kann Angst machen oder Abwehr erzeugen.

Womit wir bei Apple wären. Was haben die vielen tatsächlichen oder selbsternannten Expertinnen und Experten darüber gelästert, das Unternehmen habe den KI-Zug verschlafen. Doch hat Apple immer großen Wert auf Innovation, aber eben auch auf Implementierung gelegt. Eine Innovation, die keinen Markt findet, bleibt schlicht eine Erfindung.

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Apple hat weder das Mobiltelefon noch das Tablet oder die Smartwatch erfunden. Es hat sich stets darauf konzentriert, Technologie in ansprechendem Design und einfacher Nutzerführung so umzusetzen, dass sie für einen Massenmarkt tauglich wird.

Wenn durch die nun präsentierte Kooperation mit OpenAI eine Integration von KI in die Apple-Produkte klappt, ist das ein großer Schritt. Wenn Apple es dabei auch noch schafft, Branchenprimus im Schutz der Privatsphäre zu bleiben, wird das ein Riesenerfolg. Dann kann der iPhone-Moment der KI zum Momentum echter Veränderung werden.

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