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Kolumne „Kreative Zerstörung“Unsere Demokratie, packen wir’s an!

Der Staat steckt in der Krise, der man am liebsten entfliehen möchte. Genau das sollten wir nicht tun, sagt Miriam Meckel. Unsere Demokratie mitzugestalten, muss gar nicht so kompliziert sein. 19.11.2024 - 18:19 Uhr Artikel anhören
Miriam Meckel ist deutsche Publizistin und Unternehmerin. Sie ist Mitgründerin und CEO der ada Learning GmbH. Außerdem lehrt sie als Professorin für Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen. Foto: Klawe Rzeczy

Eine Krise ist immer auch eine Chance, wie Max Frisch einst gesagt hat – auch für interessante Geschäftsmodelle. Die Reederei Villa Vie Residences bietet seit einigen Tagen eine vierjährige All-inclusive-Kreuzfahrt an.

Passagiere steuern von Anfang 2025 an 425 Häfen in 140 Ländern an – zu einem Einstiegspreis von einer Viertelmillion Dollar pro Passagier. Die „Skip Forward“ Kreuzfahrt erlaubt es vor allem US-amerikanischen Bürgerinnen und Bürgern, dem Trump-Trauma zu entfliehen, ohne ihre Staatsbürgerschaft aufgeben zu müssen.

Das ist ein Weg, mit der Wiederwahl Donald Trumps umzugehen. Aber ist es der richtige für Menschen, die sich Sorgen um die Zukunft ihres Landes machen? Ich denke nein.

Womit wir in Deutschland wären. Wir haben keinen Donald Trump, aber eine funktionierende Regierung haben wir auch nicht. Der Ampelknall vom 6. November war nur der Endpunkt eines schleichenden Zerrüttungsprozesses, der die politische Regierungsarbeit fast seit Antritt der Koalition begleitet hat. „Mann (und Frau) über Board!“ – das ist bei uns nicht die Fluchtstrategie, das ist politischer Alltag.

Wer in diesen Tagen viele Stunden am Flughafen verbringt, weil mal wieder zig Flüge gestrichen werden, wer statt 90 Minuten sechs Stunden im Zug von Frankfurt nach Düsseldorf sitzt, wer versucht, schnell einen Ersatzführerschein zu bekommen oder ein Konto braucht oder sich mit vielfachen Telefonaten, E-Mails (und Faxen!) gegen Fehlentscheidungen deutscher Ämter zur Wehr setzen muss, der hat zwischendurch Zeit nachzudenken. Wie mühsam ist das alles? Der Fluchtinstinkt ist da. Er ist verständlich, und doch ist er falsch.

Ist Rousseaus Gesellschaftsvertrag gescheitert?

Demokratie, das ist nicht irgendetwas irgendwo da draußen. Und der Staat ist nicht unser Gegner. Wir sind es als Bürgerinnen und Bürger, die gemeinsam den Staat bilden. Wir wählen die Regierung, die in unseren Diensten steht. Und wenn die nichts anderes zu tun hat, als zu streiten, statt ihren Job zu machen und – endlich – für die notwendigen Investitionen und Innovationen zu sorgen, dann ist es an uns, unser Recht einzufordern.

Der Schweizer Staatsphilosoph Jean-Jacques Rousseau hat diesen „Gesellschaftsvertrag“ bereits 1762 in seinem gleichnamigen Buch beschrieben. Er hat begründet, warum wir uns gegenseitig nicht Wölfe sein können und dürfen, sondern auf Basis unseres Gemeinwillens einen Vertrag schließen, der das Wohl aller im Blick hat. Dieser Vertrag ist dann auch für alle gültig.

Irgendwie scheint das bei uns nicht mehr zu funktionieren. Weil zunehmend der Eindruck entsteht, der Staat halte seine Verpflichtungen nicht ein. Viele Studien zeigen, dass etwa die Hälfte der Menschen kein Vertrauen mehr in ihren Staat hat. Das ist eine Katastrophe für den Alltag und für die Demokratie.

Es wird Zeit, die ersten beiden Silben der Demokratie wieder zu betonen: Demos – das Volk. Dazu könnten wir uns ein Beispiel an Staaten wie Taiwan nehmen. Sie nutzen erfolgreich neue Technologien wie Künstliche Intelligenz, um die Verbindung zwischen den Wünschen und Bedürfnissen der Bevölkerung und den Regierenden zu stärken oder überhaupt wiederherzustellen.

Interview

„Die Verknüpfung zwischen Geld und den US-Wahlen ist furchtbar“

Warum trauen wir uns nicht, ein ehrlich demokratisches Projekt aufzusetzen, in dem die Bürgerinnen und Bürger zu Wort kommen? Und zwar so: Jede und jeder kann sich bewerben, Teil einer Gruppe von 1000 repräsentativ zusammengestellten Menschen zu werden. Die lässt man beispielsweise auf der „Online Deliberation Platform“ der Stanford-Universität in kleinen Gruppen die Probleme diskutieren, die am dringlichsten gelöst werden müssen.

Der Niedergang der Demokratie ist eine ebenso große Gefahr für unser Land wie eine stagnierende Wirtschaft, eine Bankenkrise oder eine Pandemie.
Miriam Meckel
Kommunikationswissenschaftlerin

Die Aufzeichnungen der Debatten werden durch KI ausgewertet und zu Policy Proposals zusammengefasst. Das kann KI übrigens ausgesprochen gut. In einem Experiment sollten Gruppen von Menschen und eine KI einen Vorschlag für die gerechte Verteilung öffentlicher Mittel machen. Der Vorschlag der KI schnitt im Urteil der Mehrheit der Menschen am besten ab.

Und dann? Ja, dann müsste eine neue Regierung den Mut haben zu sagen: Der Niedergang der Demokratie ist eine ebenso große Gefahr für unser Land wie eine stagnierende Wirtschaft, eine Bankenkrise oder eine Pandemie.

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Vermutlich ist sie eine GAG – die größte anzunehmende Gefahr überhaupt. Deshalb sind wir bereit, trotz Schuldenbremse und vieler hundert anderer Entschuldigungen für Untätigkeit hier nun tatsächlich groß zu investieren. Damit können wir die Probleme praktisch lösen, die unseren Gesellschaftsvertrag zum Wackeln gebracht haben.

Sie denken jetzt: „Schön und gut, aber das kann ja so nicht klappen …“ Genau das ist das Problem. Der Staat muss endlich wieder funktionieren. Aber wir müssen aufhören, uns auf die innere Kreuzfahrt ins Eismeer der frustrierten Erstarrung zurückzuziehen.

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