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Lars Felds OrdnungsrufDie internationale Arbeitsteilung ist nicht tot

Nach dem Ende des Handelsstreits zwischen den USA und China kehrt kurzfristig Ruhe in die deutschen Lieferketten ein. Doch die Rufe nach mehr heimischer Produktion greifen zu kurz.Lars P. Feld 03.11.2025 - 16:52 Uhr Artikel anhören
Für den Ökonomen Lars Feld macht eine „Rückholung“ von Teilen der Wertschöpfungskette nach Europa oder gar nach Deutschland wenig Sinn. Foto: IMAGO/photothek

Die deutsche Wirtschaft atmet auf. Nach dem Burgfrieden, den der amerikanische Präsident Donald Trump mit dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping vereinbart hat, können wieder Rohstoffe, vor allem seltene Erden, aus China bezogen werden. Zudem ist der Streit um Nexperia vorerst abgemildert, sodass dessen Mikrochips wieder geliefert werden dürften.

In der Hysterie der vergangenen Wochen um diese Belastung der Wertschöpfungsketten kam reflexartig die Forderung auf, Deutschland müsse die Teile der ins Ausland ausgelagerten Produktion zurückholen, die für die jeweiligen Wertschöpfungsketten unerlässlich seien. Resilienz sei das Gebot der Stunde. Erinnerungen an die Coronapandemie kamen auf.

Hinter solchen Forderungen steht ein unzureichendes Verständnis der Internationalisierung der Wertschöpfungsketten im Zuge der bis in die 2010er-Jahre anhaltenden Globalisierung. Nicht zuletzt schwingt dabei die Vorstellung mit, deutsche Unternehmen hätten Produktion ins Ausland verlagert, die zuvor in Deutschland stattgefunden hatte. Manche denken an die Textilindustrie, andere an die Autoindustrie.

In der Tat findet Produktion in diesen Branchen zu einem erheblichen Teil im Ausland statt. Allerdings dürfte ein nennenswerter Teil der Produktion deutscher Unternehmen im Ausland auf die Erschließung von Absatzmärkten gerichtet sein. Ein anderer Teil geht durchaus auf die geringeren Kosten der Produktion im Ausland zurück. Dies ist nicht zuletzt durch relative Vorteile anderer Volkswirtschaften im Vergleich zu Deutschland bedingt.

Lars Felds Ordnungsruf

Der Staat frisst die Wirtschaft auf

Wenn Arbeitskraft im Ausland relativ billiger ist, spezialisieren sich Unternehmen unter Berücksichtigung von Transportkosten und Skalenvorteilen hierzulande auf kapitalintensive, technologisch fortschrittlichere Produktion. Statt Textilien werden unter anderem Maschinen zur Textilherstellung produziert. Das ist bei Weitem keine erschöpfende Erklärung des internationalen Handels, da Handel häufig innerhalb von Industrien abläuft, aber eine wichtige.

Jedenfalls ist der Prozess der Internationalisierung von Wertschöpfungsketten dynamisch zu verstehen. Volkswirtschaften entwickeln sich weiter; mehr Chancen durch die Globalisierung erlauben weitere Spezialisierungen. Insbesondere die Kostensituation von Unternehmen ist neben der Bedeutung von Absatzmärkten ausschlaggebend. China konnte eine marktbeherrschende Stellung in der Produktion seltener Erden erlangen, weil diese dort zu geringeren Kosten als in anderen Ländern produziert werden können.

China hat kein Monopol auf seltene Erden

Eine „Rückholung“ von Teilen der Wertschöpfungskette nach Europa oder gar nach Deutschland macht vor diesem Hintergrund wenig Sinn. Wenn aufgrund geostrategischer Rivalitäten ein Land Exportrestriktionen für Güter von großer Bedeutung in den Wertschöpfungsketten erlässt, so ist dies Anlass zur Diversifikation. China hat kein natürliches Monopol auf die Produktion seltener Erden. Es gibt sie auch in anderen Ländern; die Produktion dort ist nur teurer.

Eine Diversifikation muss sich also für die Unternehmen rechnen, etwa wenn die teurere Produktion für Rohstoffe oder Zwischenprodukte in weiteren Ländern durch die Kosten eines plötzlichen Ausfuhrstopps des Landes, aus dem diese Güter heute bezogen werden, aufgewogen wird. Diese Abwägung ist zuallererst eine Aufgabe der Unternehmen selbst. Der Staat kann hier vor allem durch Handelsverträge helfen, um aktuell bestehende Handelshemmnisse solcher Länder abzubauen.

Die Rolle des Staates besteht somit nicht darin, wiederkehrend in aktuellen Diskussionen aufscheinende, für die Lieferketten besonders wichtige Produkte im Inland zu produzieren und, damit dies überhaupt für private Anbieter lohnt, Subventionen auszuloben. Den weitaus größten Teil der Produktion von Mikrochips nimmt gängige Massenware für den internationalen Markt ein. Dabei sind deren Käufer nicht auf einzelne Anbieter angewiesen.

Industriepolitik sollte in diesem Markt daher vor allem an der Schnittstelle zwischen Forschung und Entwicklung einerseits und der Umsetzung in marktgängige Produkte andererseits ansetzen. Ähnliches gilt für Batteriezellen, insbesondere da bei Weitem nicht klar ist, dass nur die Elektromobilität als allein selig machender Antrieb für die Autoindustrie übrig bleibt.

In einer Branche liegen die Dinge komplizierter: in der Rüstungsindustrie. Selbst dort aber zeigt die Erfahrung mit internationalisierten Wertschöpfungsketten, dass Spezialisierungen in verbündeten Staaten üblich sind. Selbst amerikanische Rüstungsgüter werden nicht in allen Teilen im Inland produziert.

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