Prüfers Kolumne: Black Friday im Büro

Die Chefin des Otto-Konzerns, Petra Scharner-Wolff, hat neulich in einem Interview erklärt, dass der Black Friday mittlerweile für das Geschäft wichtiger geworden sei als die Vorweihnachtszeit. Und dass sich bei Otto die Preise zum Teil stündlich ändern. Man stelle sich das vor: eine Waschmaschine, die morgens noch 499 Euro kostet und abends 543, weil der Algorithmus gemerkt hat, dass man zu oft auf das Produkt geklickt hat.
Eigentlich leben wir in einer Welt, in der man nicht mehr sagen kann, was etwas kostet. Preise sind flüssig geworden wie Benzin. Sie steigen und fallen, je nachdem, wer schaut, wann geschaut wird und ob man gerade dringend eine neue Jeans braucht. Der Markt, das war früher ein Platz, auf dem sich Käufer und Verkäufer begegneten. Heute ist es eine Blackbox, in der Preise wie Wetterphänomene entstehen – irgendwo zwischen den Servern in Hamburg, Palo Alto und Shenzhen.
Aus Erfahrung weiß man allerdings: Insgesamt wird alles ständig teurer. Die Rabatte, die am Black Friday versprochen werden, sind häufig künstlich. Der Preis wird vorher systematisch hochgeschraubt, damit er dann wieder sinken kann. Die große ökonomische Wippe des „Jetzt zugreifen!“ – und am Ende zahlt man oft doch den Normalpreis. Und hat dennoch das Gefühl, ein Schnäppchen gemacht zu haben.
Man fragt sich, warum das nur bei Waren funktioniert. Warum eigentlich nicht auch bei Arbeit? Unsereins verkauft ja auch etwas – nur eben keine Kopfhörer, sondern Lebenszeit. Trotzdem kostet unsere Arbeit immer dasselbe. Ein fester Lohn, ein Tarif, ein Tagessatz. Und wir hören dauernd, er sei zu hoch. Dabei könnte man es doch wie der Markt machen.
Man stelle sich vor, Angestellte würden ihren Preis dynamisch anpassen. An Tagen mit wenig Motivation würde die Stunde etwas günstiger. Aber am Freitag vor Abgabe, wenn die Deadline brennt, da würde sich der Stundenlohn verdoppeln. Wenn man den ganzen Abend noch E-Mails schreibt, weil der Kunde um 22.48 Uhr „nur eine kleine Rückfrage“ hat, dann wäre das die Hochpreisphase. Und am Monatsanfang, wenn alle wieder flüssig sind, könnte man eine „Günstig-Woche“ einschieben.
Der Wert eines langen, müden Montags
Es wäre nur gerecht, wenn die Ökonomie der Schwankungen, die sonst überall gilt, auch auf die Menschen überginge, die sie erdulden. Warum soll nur der Preis einer Waschmaschine von der Tageslaune des Marktes abhängen – und nicht der Wert eines langen, müden Montags?


So würden Arbeitgeber das Gefühl bekommen, ein richtig gutes Geschäft gemacht zu haben – und wir hätten endlich das Vergnügen, selbst mit dem Markt zu spielen. Vielleicht würde Arbeit sogar mehr Spaß machen, wenn sie ein bisschen unberechenbarer wäre. Wenn nicht immer der Arbeitgeber den Algorithmus programmiert, sondern wir.
Vielleicht sollten wir anfangen, wie die Händler zu denken. Heute etwas teurer, morgen Rabatt. Und nach einem Jahr kann man sich auf die Leistung ohnehin nicht mehr verlassen, das ist ja bei Elektrogeräten nicht anders.






