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Prüfers KolumneWenn der Atlantische Lachs an einem Atomkraftwerk vorbeischwimmt

Der Betreiber versprach, unter der Wasseroberfläche 288 Lautsprecher anzubringen. Diese sollten einen Höllenlärm machen, um Fische zu vertreiben – doch daraus wurde nichts.Tillmann Prüfer 22.03.2025 - 10:56 Uhr Artikel anhören
Tillmann Prüfer ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“. Foto: Handelsblatt

In Großbritannien wird über den Bau eines Atomkraftwerks gestritten. Atomkraftwerke produzieren bekanntlich Strom – aber auch viele Probleme. Dazu gehört natürlich, dass die Meiler bei schlechter Wartung durchbrennen und weite Landstriche unbewohnbar machen können. Zudem verursachen sie Atommüll, der bis zum Ende der Zeiten gelagert werden muss. Doch Kernkraftwerke konsumieren auch Fische.

Da sie ständig gekühlt werden müssen, saugt das Kühlsystem eines solchen Meilers gewaltige Mengen Wasser aus Seen und Flüssen. Und es bekommt Fischen nicht besonders gut, mit dem Kühlsystem eines Atomkraftwerks in Kontakt zu kommen, ähnlich wie es Vögeln schlecht bekommt, vom Rotor eines Windkraftwerks erschlagen zu werden.

Im aktuellen Fall geht es um das Kraftwerk Hinkley Point C. Es soll am Bristolkanal entstehen und sein Kühlwasser aus eben jenem ziehen. Leider kommen dort auch viele Fische vorbei, etwa der Europäische Aal oder der gefährdete Atlantische Lachs. Um dem abzuhelfen, versprach der Betreiber, unter der Wasseroberfläche 288 Lautsprecher anzubringen. Diese sollten einen Höllenlärm machen und so die Fische vertreiben. Diese Konstruktion heißt „Acoustic Fish Deterrent“ und wurde als „Fisch-Disco“ bekannt.

Nun möchte der Betreiber die Fisch-Disco aber doch nicht mehr eröffnen. Man hat nämlich erkannt, dass die geschätzte Menge von 44 Tonnen Fisch, die so ein Atomkraftwerk jährlich umbringt, gar nicht viel ist – nur etwa der jährliche Fang eines kleinen Fischerboots.

Auch der britische Premier Keir Starmer ist nun ein Feind der Fische im Bristolkanal: „Unterwasserlautsprecher, die Fische vom Kernkraftwerk Hinkley Point C fernhalten sollen. Ich wünschte, das wäre ein Scherz“, schrieb er in der „Daily Mail“. Offenbar fällt es Menschen nicht leicht, sich für Fische einzusetzen.

Katzen sind ein echtes Umweltproblem

Man stelle sich vor, so ein Kernkraftwerk würde jährlich 44 Tonnen Hunde einsaugen. Ein Kraftwerksbetreiber käme wohl nicht weit mit dem Argument, 44 Tonnen Hunde entsprächen dem jährlichen Volumen eines kleineren Tierheims – obwohl Hunde viel weniger gefährdet sind als Aale. Oder Katzen.

Katzen sind ein echtes Umweltproblem. Allein in den USA töten sie jährlich zwischen 1,4 und 3,7 Milliarden Vögel sowie zwischen 6,9 und 20,7 Milliarden kleine Säugetiere. Ein Kraftwerk, das Katzen ansaugen würde und damit seine Meiler kühlte, wäre eine echte Wohltat für die Artenvielfalt. Doch Katzenvernichtung ist kaum denkbar, während die Vermeidung von Fischvernichtung als schlechter Scherz gilt.

Es ist noch nicht gut erforscht, wie effektiv diese Fisch-Discos eigentlich funktionieren. Ursprünglich wurden Unterwasser-Lautsprechersysteme zur U-Boot-Abwehr entwickelt. Vielleicht hätte die Bristoler Fisch-Disco als Nebeneffekt verhindert, dass U-Boote vom Atomkraftwerk eingesogen werden. Obwohl – davon gibt es ja gerade nicht zu wenige.

Mehr: Atommeiler in Frankreich startet mit zwölf Jahren Verspätung

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