Anschlag von Magdeburg: Der tödliche Wahn – und was eine wehrhafte Demokratie dagegen tun muss


Arglos feiernde Menschen plötzlich aus dem Leben gerissen, eine ganze Stadt ins Unglück gestürzt: Die Wahnsinnstat von Magdeburg wühlt Deutschland auf. Fast auf den Tag genau acht Jahre nach dem Terroranschlag auf den Berliner Breitscheidplatz wurde wieder ein Weihnachtsmarkt zum Anschlagsziel, wieder raste ein verblendeter Täter durch eine friedliche Menge.
Mindestens fünf Tote, viele Schwerstverletzte, Wunden, die vielleicht nie heilen werden: Die Schreckensmeldungen treffen auf eine tief verunsicherte Bevölkerung. Politiker ringen um Worte, versuchen, Trost zu spenden. Doch die üblichen Schablonen passen nicht auf diesen Fall. Der Alte Markt von Magdeburg ist nicht der Berliner Breitscheidplatz, kein Tatort des dschihadistischen Terrors gegen die westliche Lebensweise.
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Der mutmaßliche Täter stammt aus Saudi-Arabien, war aber kein Islamist. Im Gegenteil: Der 50-Jährige, der unmittelbar nach seiner Amokfahrt von der Polizei festgenommen wurde, scheint vom Hass auf den Islam getrieben zu sein.
Vieles spricht dafür, dass er geistig krank ist. Botschaften, die er im Netz hinterließ, lassen darauf schließen, dass er sich an seiner neuen Heimat rächen wollte, weil er in seinem Wahn anscheinend davon überzeugt war, dass Deutschland Europa islamisieren wollte. Auch politische Sympathien ließ der Mann wohl erkennen. Ausgerechnet für die AfD.
Nur: Welchen Unterschied wird das machen? Die Tat ereignet sich im Wahlkampf, und sie wird den Wahlkampf prägen. Die Mitte, die ohnehin schon unter Druck steht, wird noch stärker unter Druck geraten. Je größer die Verunsicherung, desto besser sind die Aussichten für Angstunternehmer. Die AfD steht in Umfragen bei bis zu 20 Prozent. Vieles spricht dafür, dass ihr Aufwärtstrend sich fortsetzt.
Selbst ein wachsamer Staat bietet keinen absoluten Schutz
Natürlich, die Behörden hätten wachsamer sein müssen. Offenbar gab es Hinweise, denen nicht nachgegangen wurde. Aber ein Ex-Muslim, der sich an Deutschland rächen will, weil es sich angeblich zu tolerant gegenüber Islamisten zeigt – einen solchen Fall hat es noch nie gegeben. Auch ein wachsamer Staat kann keinen absoluten Schutz bieten.
Wenn es eine Lehre aus der Tragödie von Magdeburg gibt, dann diese: Polarisierung tötet. Ihr entgegenzuwirken, kann nicht nur Aufgabe des ohnehin schon überbeanspruchten Staates sein. Auch Onlineplattformen, auf denen sich der Radikalisierungsprozess vollzieht, stehen in der Verantwortung. Aus wirren Verschwörungstheorien kann schnell blutiger Ernst werden, immer wieder hat sich das in den vergangenen Jahren gezeigt.
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Doch ausgerechnet jetzt versuchen Betreiber dieser Plattformen, sich ihrer Verantwortung zu entziehen. Unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit wird jeder Versuch diskreditiert, Regeln aus der realen Welt in den virtuellen Raum zu übertragen.
Eine besonders unrühmliche Rolle spielt dabei Elon Musk, der US-Milliardär, Trump-Berater und Inhaber der Plattform X, der sich seit Tagen fast stündlich mit seinen Botschaften zugunsten der AfD in den deutschen Wahlkampf einmischt und sich nicht zu schade ist, die Bluttat von Magdeburg für seine Kampagne zu nutzen.
Ja, der Islamismus bleibt eine Gefahr für die Demokratie, genau wie der Imperialismus Russlands oder das Versagen der Parteien im Kampf gegen die strukturelle Wirtschaftskrise.




Aber auch von Onlineagitatoren wie Elon Musk geht eine Gefahr aus. Und diese Gefahr wächst. Ihr Geschäftsmodell ist die Spaltung, die Kultivierung von Hass, der Gewalt schürt und die Gesellschaft von innen zersetzt. Nie in der Geschichte der Bundesrepublik war die Wehrhaftigkeit der Demokratie so wichtig wie heute. Und nie stand sie so infrage.
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