Job und Sport: Wie Sie Karriere und hartes Training vereinbaren können

Düsseldorf. Es gibt wenig Ätzenderes als Schlaumeier, die um die Ecke biegen und einem erklären, wie das alles klappt und warum wir selbst schuld sind, wenn etwas nicht so läuft, wie wir uns das wünschen. Ganz oben auf der Liste der sowohl wahren wie auch verhassten Sprüche steht bei mir: „Gründe sind die Pest“ – einst gehört von meinem Chef, der es wiederum von einem Zuchtmeister seiner Ausbildung hatte.
Stimmt nur leider. Heute übernehme ich mal die Rolle: Gründe sind die Pest. Anlass ist das Saisonende für viele Menschen, die Freiluftsport betreiben. Hobbyisten mit persönlichen Zielen haben in der Regel die letzten ihrer Wettbewerbe und Herausforderungen des Jahres bewältigt.
Es ist die Phase, mal durchzuatmen und dem Körper ohne gezielte Überlastung eine Erholung zu gewähren. Nach ein paar Wochen ist dann Zeit für die Bildung der Grundlage für knackiges Training als Vorbereitung auf weitere Sportabenteuer 2025.
In der sogenannten Off-Season stellen sich nicht wenige die Frage: Was nehme ich mir für kommendes Jahr vor? Und oft in Verbindung mit den steigenden Ansprüchen: Wie bekomme ich das in Einklang mit meinem Beruf? (Der Frage, wie sich zeitintensiver Hobbysport in Einklang mit Familie und Sozialleben bringen lässt, widme ich mich in einer der kommenden Kolumnen gesondert.)
Viertagewoche hin, Teilzeitstelle her, es gibt noch immer genügend Menschen, die viel arbeiten. Sehr viel, und dies auch jenseits der üblichen Bürozeiten. Ein großes persönliches Sportziel verlangt ebenfalls vor allem eines: Zeit.
Dabei ist es völlig unerheblich, auf welchem Leistungsniveau das persönliche Ziel ist. Die Verbesserung der eigenen körperlichen Leistungsfähigkeit erfordert Zeit. Und in meinen wildesten Zeiten bin ich morgens gelaufen, mit dem Rad 30 Kilometer zur Arbeit gefahren, mittags schwimmen gegangen, abends mit dem Rad zurückgefahren – gut fünf Stunden insgesamt, oft mehr als 20 die Woche. Mein Sport war quasi eine Halbtagsstelle in einer normalen Woche.
Der größte Feind: das schlechte Gewissen
Wer solche Umfänge ohne Abstriche im Berufsleben unterbringen kann, darf sich glücklich schätzen. Die allermeisten von uns aber sehen einen Konflikt zwischen der Aufmerksamkeit für die Arbeit und der nötigen Zeit für das Training.
Der größte Feind dabei ist das eigene schlechte Gewissen. Lange bevor ein tatsächlicher Leistungseinbruch auf der Arbeit für Dritte zu bemerken ist, geraten vor allem leistungsorientierte Menschen in eine Zwickmühle, denn sie haben das Gefühl, ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht zu werden – entweder im Job oder im Training, in der Regel beides.
Spruch Nummer zwei aus dem Arsenal der nervigen Schlaumeier: „Der Tag hat für jeden 24 Stunden“ – den habe ich von einer Kollegin, die erst schön schrieb und später beruflich anderen erklärte, wie man Krisen schön verkauft.
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Stimmt aber leider auch. Und fasst in all seiner Kalendersprüchigkeit zusammen, was Sie auch aus zehn Stunden Einzelcoaching mitnehmen können: Prioritäten setzen. Sprich: sich entscheiden. Und hier als Goodie Spruch Nummer drei, diesmal immerhin als launiges britisches Stück Jazz: „You can’t have everything.“ Wann immer wir glauben, die Freundin oder der Verwandte bekäme so viel mehr hin, wir liegen immer einfach: falsch.
Niemand macht mal so eben einen Ironman, kein Wunderwesen tritt beim lokalen Stadtlauf an und holt den Sieg in der Altersklasse, kein natürliches Talent schießt ohne stundenlange Verfeinerung der Schusstechnik beim Firmenkick mehr Tore als Messi in Miami und führt das Team zur Meisterschaft. Es ist Zeit, die investiert wurde, die sich auszahlt.
Heißt: Gehen Sie in sich, prüfen Sie sich, seien Sie vor allem ehrlich zu sich: Was ist das sportliche Ziel Ihnen wert? Wie weit würden Sie auf Zeit für das Projekt verzichten, bis zu welchem Punkt können Sie vertreten, mal ein Meeting ausfallen zu lassen, mal eine Fortbildung auszulassen, ja, auch mal irgendwo einen Abstrich in der Qualität zu machen?
Es geht am Ende nicht darum, was wir wirklich in unseren täglichen 24 Stunden unterbringen, sondern darum, ob wir diese Dinge tun und dabei nicht das Gefühl haben, besser etwas anderes tun zu sollen. Diese Aufgabe kann einem niemand abnehmen. Vielleicht stellen Sie fest, dass in diesem Moment der Lebensphase tatsächlich der jeweils nötige Aufwand nicht zu vereinbaren ist. Dann ist es nur zwingend logisch, diesen Aufwand für das weniger wichtige Ziel zu reduzieren. Langsamere Fortschritte in der Schwimmtechnik zum Beispiel bedeuten ja keinen Rückschritt.
Kein schlechtes Gewissen. Nie.
Zurück zu Spruch eins, „Gründe sind die Pest“: Was nirgends hinführt, ist, sich selbst das Leben schwer zu machen und zu sagen, ich hätte ja, wenn nicht... Das zermürbt mental. Suchen Sie keine Gründe, warum das Training kürzer ausfallen musste (oder die Kolumne einen Tag später als geplant abgegeben wurde), stehen Sie zu Ihrer Entscheidung.

Das Allerletzte, was Hobbysportler gebrauchen können, ist, dass aus dem Ausgleich eine zusätzliche Belastung wird. Das ist Gift für beides. Dass jeder an der Startlinie oder beim Anpfiff das Gefühl hat, nicht genug trainiert zu haben, gehört ausdrücklich nicht in diese Kategorie – das ist Folklore, das gehört dazu, das sollte einen nicht irritieren.
Ganz ohne Spruch, dafür eine gute Nachricht: Im besten Falle profitiert Ihr Beruf von Ihrer vermehrten Leibesertüchtigung. Und zwar gleich in mehreren Aspekten, die die Allermeisten auch ohne diese Kolumne herunterbeten können: Ein körperlich gut trainierter Mensch steckt allgemein Belastungen besser weg. Bestimmte Sportarten helfen zudem ungemein, den Kopf in vergleichbar kurzer Zeit freizuräumen, Kapazitäten zu schaffen für Ideen und Lösungen. Wer jedoch auf dem Laufband meint, er müsse gerade besser am Schreibtisch stehen, der macht weder das eine noch das andere gut.
Der Rest ist, so banal es klingt, Organisation und Disziplin und eben auch Verzicht. Darüber redet nie jemand gerne, weil Menschen das nicht hören wollen. Aber wer klar definiert, dass Ziel X einem wirklich wichtig ist, der empfindet die Absage zum Umtrunk nach der Arbeit nicht als Verzicht.
Wer rund um Terminen in einem vollen beruflichen Kalender noch anstrengende körperliche Einheiten garnieren möchte, sollte spätestens nah an den geplanten nächsten Herausforderungen klar wissen, welche Reihenfolge für sie oder ihn wichtig ist. Das Leben, die Umstände, ja die Gründe werden eh genug Steine in den Weg legen, die sollte sich niemand noch selbst hinschieben.
Tun, was möglich ist, und das Ergebnis dieser Leistungssteigerung akzeptieren – am Ende verdienen wir nicht unser Geld damit, sondern geben es eher im großen Stil dafür aus.



Thorsten Firlus ist Handelsblatt-Redakteur und ambitionierter Hobbysportler. An dieser Stelle verbindet er beides alle 14 Tage und schreibt darüber, wie Sie fit bleiben.
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Erstpublikation: 24.10.2024, 19:24 Uhr.










