Kommentar: 5G-Ausbau – Deutschland steckt in der digitalen Dauerschleife


Noch vor wenigen Jahren waren sich alle einig: 5G-Mobilfunk ist die Zukunft Deutschlands. Netzbetreiber, Politik und Industrie wetteiferten um die besten Ideen, wie das Netz der Zukunft unser Leben verändern wird. Heute, sechs Jahre später, stehen zwar die 5G-Funkmasten überall im Land. Das zentrale Versprechen eines Echtzeitnetzes ist jedoch noch immer nicht Realität.
Die Wahrheit ist: Echtzeit wäre machbar. Aber niemand ist bereit, dafür zu zahlen. Die Netzbetreiber scheuen die hohen Investitionen. Denn um sehr geringe Latenzen zu erreichen, reicht es nicht aus, 4G-Antennen gegen 5G-Antennen zu tauschen. Es werden viel mehr Antennen benötigt, und das Datennetz dahinter muss umgebaut werden. All das kostet viel Geld. Investitionen, die die Netzbetreiber gescheut haben.
Solange es kein echtes Echtzeitnetz gibt, wird auch niemand echte Echtzeitanwendungen entwickeln. Somit bleibt 5G ein Versprechen ohne Wirkung. Ohne Netz keine Anwendungen, ohne Anwendungen kein Netz. Deutschland steckt in der digitalen Dauerschleife.
Die Industrie wartet auf die Infrastruktur, und die Netzbetreiber warten auf die Industrie. Dieser Kreislauf lässt sich nur mit Mut durchbrechen. Was fehlt, ist Pioniergeist. Warum nicht eine Stadt mit voller Netzleistung, Small Cells in jeder Laterne und Rechenzentren vor Ort? Wer 5G ernst nimmt, muss auch ernsthaft testen.
Die Deutsche Telekom könnte Bonn zur ersten Echtzeitstadt Deutschlands machen. Mit modernster Technologie und einer Latenz von deutlich unter zehn Millisekunden wären die Voraussetzungen optimal, um neue Geschäftsmodelle auszuprobieren.
Es gibt immer Gründe, etwas nicht zu tun
Ja, der Netzausbau in Deutschland ist mühsam. Wer jedoch bei jedem Hindernis eine Ausrede parat hat, wird keine Infrastruktur der Zukunft schaffen. Telekom-Chef Timotheus Höttges hat recht, wenn er die langsamen Genehmigungsverfahren deutscher Behörden kritisiert. Es dauert beispielsweise viel länger, einen neuen Mobilfunkmasten in Deutschland zu errichten als in China.
In Deutschland gibt es viele Gründe, warum etwas nicht funktioniert. Aber es gibt keinen guten Grund, es gar nicht erst zu versuchen.
Gerade die Deutsche Telekom hat bewiesen, dass sie bereit ist, jedes Jahr Milliardensummen in den Ausbau eines modernen Glasfasernetzes zu investieren, obwohl sich diese Ausgaben erst nach Jahrzehnten rechnen dürften. Den gleichen Mut sollte CEO Höttges beim 5G-Ausbau zeigen.





Wer den Einsatz von Zukunftstechnologien befürwortet, muss auch den Mut aufbringen, diese nicht nur auf Kongressen, sondern auch in der Praxis umzusetzen.
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