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KommentarAuslagerung der Verbrennungsmotoren – die „Bad Bank“ der Autoindustrie

Daimler und BMW schieben die Motorentechnik aus dem Kerngeschäft. Das ist politisch gewollt und daher wirtschaftlich konsequent – aber nicht trivial.Markus Fasse 24.11.2020 - 04:00 Uhr Artikel anhören

Die deutschen Standorte der Autohersteller sollen auf E-Mobilität umgestellt werden, die Verbrenner werden – wie faule Kredite an eine Bad Bank – zusehends ausgelagert.

Foto: dpa

Als Daimler vergangene Woche eine neue Kooperation mit Geely verkündete, da war die Aufregung groß. Künftig werden Mercedes-Motoren weiter in Deutschland entwickelt, aber zunehmend in China gebaut. Stück für Stück sollen die deutschen Standorte auf Elektromobilität umgestellt und die Produktion von Verbrennungsmotoren soll heruntergefahren werden.

Zu Recht sehen die Betriebsräte in dieser Ankündigung eine Zeitenwende. Das Autoland Deutschland verabschiedet sich scheibchenweise von seiner größten Innovation, dem Verbrennungsmotor. Denn auch BMW schwenkt um. 2024 würden am Standort München die letzten Motoren montiert, erklärte Produktionsvorstand Milan Nedjelkovic.

Für ein Unternehmen, dessen Vorstand in einem stilisierten Vierzylinder-Hochhaus sitzt, ist das bemerkenswert. Kleine Aggregate kommen künftig nur noch aus dem österreichischen Steyr. Die großen Motoren gehen in das englische Werk Hams Hall.

Dass die britische Regierung jüngst verkündete, ab 2030 keine Verbrenner mehr zulassen zu wollen, ist mehr als eine Ironie. Das britische Werk wird zur Sackgasse für die einst stolze BMW-Motorentechnik. Konsequent schieben die Autohersteller die Verbrennungsmotoren aus ihrem Kerngeschäft in die Peripherie ihrer weltweiten Produktionsnetzwerke.

Die Entwicklung folgt dem Markt: Der Dieselabsatz geht dramatisch zurück, die Nachfrage nach Hybrid- und Elektroautos zieht kräftig an. Denn der Markt folgt der Politik: Nicht nur Großbritannien macht den Verbrennungsmotor zum Auslaufmodell, immer mehr Länder haben Ausstiegstermine für Diesel und Ottomotoren festgesetzt.

Der Druck kommt auch über die Investoren: Wer als Autohersteller keinen Plan für die Transformation in die Elektromobilität auf den Tisch legt, wird abgestraft und fliegt aus den Portfolios von Fonds und Anlegern. Bereits jetzt ist der Elektropionier Tesla mehr wert als die drei großen deutschen Autohersteller zusammen.

Noch stammen die Gewinne aus Diesel- und Benzinmotoren

Zwar betonen die Konzerne, dass die Verbrennungsmotoren noch lange eine Zukunft für ihr Geschäft haben. Doch die Beschäftigten in den Unternehmen und bei ihren Zulieferern ahnen das Gegenteil. „Bad Banks“ heißen die Motorenproduktionen in Teilen der Belegschaft mittlerweile, analog zu den Zweckgesellschaften der Banken, die nach der Finanzkrise die nicht mehr zu verkaufenden Kredite abwickelten.

Hier geht es auch um Emotionen: Mehr als 100 Jahre lang wurden in Stuttgart-Untertürkheim oder München Milbertshofen Motoren gebaut. Für viele schlägt hier immer noch das eigentliche Herz der Unternehmen. Motorenbau war immer der Stolz der Autohersteller.

Erst der Dieselskandal erschütterte das Vertrauen in die Redlichkeit der Unternehmen und läutete das Anfang vom Ende des Verbrenners ein. Dabei sind die künftigen „Bad Banks“ im Moment immer noch die Cashcows der Autoindustrie. Noch stammen die Gewinne der Konzerne aus dem Geschäft mit hochmotorisierten SUVs.

Elektroautos sind auch mit Förderung bislang ein Zuschussgeschäft. Aber das wird sich ändern. Die Politik diktiert den Autoherstellern die Spielregeln. Ab 2021 muss zahlen, wer die Klimaziele der EU-Kommission nicht einhält. Ab jetzt wird die Schraube der Regulierung jedes Jahr fester angezogen, die Autohersteller werden zu Hybrid- und Elektroantrieben gezwungen.

Volkswagen will ab 2026 die Entwicklung an Otto- und Dieselmotoren einfrieren. Mercedes und BMW stellen ihr Geschäft so auf, dass sie in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts auch mit Elektroantrieben überleben können. Die einst unersetzlichen Verbrennungsmotoren werden in dieser Welt zu Hilfsaggregaten geschrumpft, die nur noch arbeiten, wenn der Strom nicht reicht.

Viel zu entwickeln und zu verdienen gibt es mit diesen Motoren nicht mehr. Es reichen kleine Leistungen mit sauberem Abgas. Runter müssen hingegen die Kosten, und zwar schnell, denn das Geld brauchen die Unternehmen für die Digitalisierung und die Elektromobilität.

Zellfabriken ersetzen die Motorenwerke

Den Beschäftigten in den Motorenproduktionen droht das Schicksal der Kohlekumpel im Ruhrgebiet. Heute werden sie noch gebraucht, doch ihre Zeit läuft ab. Es ist der Mitbestimmung und den Betriebsräten zu verdanken, dass zumindest bei den großen Autoherstellern der Strukturwandel halbwegs sozial verträglich läuft.

Bei BMW arbeiten in München nur noch 1400 Menschen in der Motorenproduktion, dafür sind in den vergangenen Jahren weltweit 46.000 Beschäftigte auf die Arbeit mit Elektroantrieben geschult worden.

Für viele Beschäftigte in der Zulieferindustrie wird der Strukturwandel nicht so glimpflich verlaufen, Zehntausende Jobs stehen auf der Kippe. Dem absehbaren Aus der Motorenproduktion in den Metropolen folgt das Drama in der Provinz, wo viele Zulieferer ihre Heimat haben.

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Die Zukunft der deutschen Autoindustrie hängt nun an den Fortschritten der Batteriezellen. Die werden von Asiaten entwickelt und produziert. Die Koreaner Samsung und LG fertigen in Osteuropa, die chinesischen Anbieter CATL und S-Volt in Thüringen und im Saarland.

Hier wird ein Teil der Jobs kompensiert, die anderswo für immer verschwinden. Die Motorenfabriken von morgen sind vollautomatisierte Reinräume. Klinisch sauber und effizient. Für Autoromantiker aber auch vollkommen seelenlos.

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