Kommentar: Deutschland muss das Waffenarsenal des vereinten Europas werden


Die Nato ist das mächtigste Militärbündnis der Welt – und war noch nie so zerbrechlich wie heute. Nach dem Beitritt von Finnland und Schweden umfasst sie 32 Mitgliedstaaten, die zusammen fast ein Drittel der globalen Wirtschaftskraft auf sich vereinen. Ihre militärische Schlagkraft verdankt die Nato jedoch im Wesentlichen den USA.
Dieses Ungleichgewicht gefährdet die Stabilität der Allianz. Ein Land, das zweimal einen erratischen Nationalisten wie Donald Trump zum Präsidenten wählt, kann kein verlässlicher Garant der europäischen Sicherheit sein. Die Europäer haben lang und breit über diese Entwicklung diskutiert, aber bis heute die notwendigen Schlüsse daraus nicht gezogen.
Vor diesem Hintergrund ist der Vorschlag von Bundesaußenminister Johann Wadephul zu bewerten, sich der Forderung der Trump-Regierung nach einem neuen Nato-Ziel anzuschließen.
Fünf Prozent der nationalen Wirtschaftskraft, so lautet die Vorstellung in Washington, sollen die Nato-Mitglieder künftig für ihre Verteidigung ausgeben.
Im Falle Deutschlands wären das 225 Milliarden Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Im Jahr 2024 meldete die Bundesrepublik dem Nato-Hauptquartier in Brüssel Verteidigungsausgaben von 90,6 Milliarden Euro, was etwas mehr als zwei Prozent der Wirtschaftskraft entspricht.
Deutschlands Verantwortung für Europa
Trumps Forderungen provozieren Gegenwehr. Ihnen nachzukommen, wäre „kollektiver Wahnsinn“, poltert SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner. Dabei vergisst er jedoch, dass es sich hierbei nicht um eine Gefälligkeitsgeste gegenüber den Amerikanern handelt.
Russland führt einen hybriden Krieg gegen Europa und bedroht dessen Ostgrenzen. Die russischen Streitkräfte werden bald 1,5 Millionen Mann umfassen. Ein starkes Militär ist für die europäischen Staaten somit keine Option, sondern eine Notwendigkeit.
„Wir müssen uns verteidigen können, damit wir uns nicht verteidigen müssen“, sagte Kanzler Friedrich Merz in seiner ersten Regierungserklärung zu Recht. Sein Ziel ist es, die Bundeswehr zur konventionell stärksten Armee Europas zu machen – nicht, um militärische Muskelspiele aufzuführen, sondern um der Verantwortung gerecht zu werden, die sich aus der Rolle Deutschlands als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt für die europäische Sicherheit ergibt.
Wadephul hat diese Vorgabe nun mit Zahlen untermauert. Die fünf Prozent ergeben Sinn, wenn man sich ihre Zusammensetzung genauer ansieht. Um eine russische Aggression wirksam abschrecken zu können, muss die Nato ihre militärischen Fähigkeiten deutlich erhöhen.
Aufrüstung kann sich auch wirtschaftlich lohnen
Laut Berechnungen der Allianz sind dafür nationale Ausgaben von etwa 3,5 Prozent der Wirtschaftskraft erforderlich. Weitere 1,5 Prozent müssen in die Modernisierung von Häfen, Schienen und Brücken fließen, damit die Truppen im Ernstfall einsatzfähig sind. „Amateure befassen sich mit Strategie, Profis mit Logistik“, soll der US-General Omar Bradley einmal gesagt haben.
Bisher waren Großbritannien und Frankreich die führenden Militärnationen in Europa. Doch beide Länder sind hoch verschuldet und kaum noch in der Lage aufzurüsten. Daher kommt es jetzt auf Deutschland an. So wie die USA im Zweiten Weltkrieg zum „Arsenal der Demokratie“ wurden, ist es nun Aufgabe der Bundesrepublik, das „Arsenal des vereinten Europas“ zu werden.
Das viele Geld, das in den kommenden Jahren in Rüstungsprojekte und Infrastrukturvorhaben fließen wird, ist nicht verloren. Wenn es klug investiert wird, wird es Wachstum generieren, die Entwicklung neuer Technologien fördern und ambitionierte Start-ups hervorbringen. So kann die deutsche Wirtschaft aus der Stagnation gehoben werden.






Europa ist reich, wirtschaftlich stark und industriell den Amerikanern mindestens ebenbürtig. Es kann – und muss – seine Sicherheit daher selbst garantieren. Deutlich höhere Verteidigungsausgaben sind der Preis für europäische Souveränität.
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