Kommentar: Die Bundesregierung beschreitet Irrwege bei ihrer Verkehrswende

Olaf Scholz nimmt die Verkehrswende selbst in die Hand: Beim Autogipfel erklärt er die Mobilitätswende zur Chefsache.
Berlin. Der erste Autogipfel der Ampelkoalition hat eine neue Erkenntnis gebracht: Mit dem Treffen der „Strategieplattform zur Transformation der Automobil- und Mobilitätswirtschaft“ im Kanzleramt liegt die Verantwortung nun bei Olaf Scholz. Der Kanzler hat die Verkehrswende zwangsläufig zur Chefsache erklärt. Es ist an ihm, die vielen losen Fäden innerhalb der Bundesregierung zusammenzuführen und den Weg in der Mobilitätspolitik zu weisen.
Diese Erkenntnis mag dürftig sein. Doch die Entscheidung des Kanzlers ist richtig – und sie erfordert Konsequenzen. Das Durcheinander erlebten die Autobosse, Betriebsräte und Gewerkschafter bereits beim ersten Gipfeltreffen: Da trug nicht etwa Verkehrsminister Volker Wissing leidenschaftlich vor. Es waren Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke. Sie müssen ihrer grünen Klientel erklären, warum Verkehrsminister Volker Wissing das Klimaschutzgesetz bricht und trotz aller Beteuerungen noch kein Sofortprogramm vorliegt, um die Klimaziele zu erreichen.
Seit nunmehr einem Jahr beharken sich Grüne und FDP in der Frage, wie es weitergeht mit der Dekarbonisierung des Verkehrssektors. Mal streiten sie über das Verbrenner-Aus und synthetische Kraftstoffe, Ladesäulen oder - wie aktuell - über schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren, um Infrastruktur zu erhalten und auszubauen.
Der „Fortschrittskoalition“ fehlt der Rahmen, mit dem sie das Land modernisieren will. Bis heute hat Scholz es nicht geschafft, in vertraulichen Runden mit Verkehrsminister, Klimaminister und Umweltministerin eine Einigung für schnellere Verfahren herzustellen. Wann, wenn nicht in einem zweiten von vier Regierungsjahren ist eine Koalition in der Lage, unangenehme Entscheidungen zu treffen?
Die Koalition aber entscheidet nicht, obwohl es Erkenntnisse zu Genüge gibt. Verunsichert sind allen voran die 800.000 Beschäftigten in der Automobilindustrie, die - politisch beschlossen - ihre Weltmarktführerschaft beim Verbrennungsmotor in Europa aufgeben und sich auf dem neuen Markt der Elektromobilität behaupten sollen. Bewährte Fähigkeiten in der Wertschöpfungskette fragt bald schon niemand mehr nach, dafür sind gänzlich andere Talente gefragt. Wer sich nicht neu qualifiziert, muss um seine Arbeit fürchten.

Zwischen den verantwortlichen Ministern für die Mobilitätswende bestanden bisher viele Konflikte, jetzt will Scholz selbst handeln.
Die Hersteller selbst müssen sich um neue Lieferketten kümmern und fragen sich, wie all die Seltenen Erden für die Batterien verlässlich beschafft werden können.
Auch die Verbraucher warten auf Perspektiven: Sollen sie ein Elektroauto kaufen – oder lieber noch bis 2035 auf Benziner oder Diesel setzen? In der Logik der Regierung, 15 Millionen E-Mobile bis 2030 auf die Straße zu bringen, müsste die Antwort lauten: „Helfen Sie mit und kaufen ein weit teureres E-Auto." Doch gleichzeitig streicht die Regierung die Subventionen zusammen und setzt sogar den CO2-Preis auf Sprit aus, während die Strompreise steigen.
Wer planwirtschaftlich einen Markt umbaut, anstatt auf dessen Kräfte zu setzen, der muss zumindest klare Vorgaben machen. Dazu nötig sind aber klare Verantwortlichkeiten.






Bislang ist der Verkehrsminister zwar für die Klimaziele in seinem Sektor verantwortlich und soll Ladesäulen aufbauen und Verkehr verlagern. Förderprogramme, um auf neue Antriebe umzusteigen, verkündet aber nicht nur er, sondern gleich noch der Wirtschafts- wie auch die Umweltministerin. Sie verhandelt in Europa Grenzwerte für Autos, während ihr Kollege das Stromnetz umbauen und Ladesäulen anschließen muss.
Weil es in dem Durcheinander nicht rundläuft, lenken alle Beteiligten ab: mit einem Rabattticket im Nahverkehr und der Mär, Busse und Bahnen könnten alle transportieren. Dabei geht es jetzt darum, deutsche Ingenieurskunst zu nutzen und den Verkehr auf der Langstrecke verlässlich mit neuen Antrieben zu versehen. Gelingt dies nicht, dann bleibt nur eins in einer klimaneutralen Mobilität: Weniger ist mehr.
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