Kommentar: Die Konzerne müssen ihre Produktionsstruktur widerstandsfähiger machen – das hat seinen Preis

Die Sparte Mobility will die Fertigung in den USA stark ausbauen.
München. In den Corona-Lockdowns konnten Händler die Nachfrage nach Sportkleidung nicht bedienen, weil Fabriken in Südvietnam stillstanden. Als die wieder liefen, mussten Autohersteller ihre Bänder anhalten, weil bei einem Zulieferer die Fertigung von Kabelbäumen in der Ukraine gestoppt wurde. Nun prüfen die Konzerne intern, welche Konsequenzen ein Ausfall von Lieferungen aus China haben könnte.
Die Lehre daraus: Die Unternehmen müssen ihre Fertigungsstruktur noch besser ausbalancieren und möglichst in jedem der großen Wirtschaftsräume mit Produktion vertreten sein. Resilienz ist nicht nur in den Lieferketten, sondern auch in der eigenen Fertigung gefragt.
Das kann die Produktion teilweise kleinteiliger und teurer machen. Doch noch höher sind die Kosten im Falle eines Totalausfalls bei einer zu starken Konzentration. Deshalb ist die China-Euphorie nicht nur bei Siemens gedämpft. Der Konzern orientiert sich gerade stärker in Richtung USA.
Die Zeiten, in denen aus einem günstigen Land heraus in alle Welt exportiert wurde, sind in den meisten Branchen schon seit Längerem vorbei. Die Fertigung folgte stärker den Absatzmärkten. Nun haben die jüngsten Krisen gezeigt, wie anfällig die Liefernetzwerke trotzdem noch sind.
Jeder der großen Wirtschaftsräume hat seine Risiken. In Europa herrscht Krieg, die Energiekosten sind hoch. Das Wachstum in China wollen zwar alle aus gutem Grund mitnehmen, doch droht eine Verschärfung der Spannungen mit den USA und im schlimmsten Fall ein Angriff auf Taiwan.
Der „Inflation Reduction Act“ verspricht Wachstum in den USA
Umso attraktiver wirken da die USA. Viel Fertigung wird dort gerade aufgebaut, der „Inflation Reduction Act“ verspricht große Impulse. Für Siemens ist es daher nur konsequent, die US-Fertigung auszubauen. In der Zugsparte winken lukrative Großaufträge, in der Automatisierungstechnik gibt es Nachholbedarf.





Andere Unternehmen werden dem Beispiel folgen – ohne die Geschäfte in China deswegen herunterzufahren. Denn allzu groß sollte auch die US-Euphorie nicht werden. Niemand weiß, wie es dort nach den nächsten Präsidentschaftswahlen weitergeht.
Für den Standort Deutschland bedeutet all das, dass eine Deindustrialisierung auf breiter Front eher nicht droht. Zum Ausbalancieren der konzernweiten Produktion gehört eben eine starke Präsenz in Europa. Bei der Standortwahl spielen dann auch Faktoren wie Stabilität, Beschäftigtenqualifikation und Zulieferernetzwerk eine wichtige Rolle. Wenn Konzerne wie Siemens anderswo in der Welt weitere Fertigungen aufbauen, bedeutet das nicht automatisch eine Verlagerung, sondern eine Diversifizierung.
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