Kommentar: Die Politik leidet im Kampf gegen die Inflation an grotesker Selbstüberschätzung

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat das Treffen im Kanzleramt geleitet.
Der erste Inflationsgipfel im Kanzleramt hat keine großen Ergebnisse gebracht. Damit war auch nicht zu rechnen. Erst wenn im Laufe des Jahres klarer sein wird, wie groß die Energie- und Preiskrise tatsächlich ist, sollen Entscheidungen fallen.
Es bleibt zu hoffen, dass viele der jetzt diskutierten Maßnahmen bis dahin in Vergessenheit geraten sind. Die Ampelparteien sind im Vorfeld der konzertierten Aktion mit diversen eigentümlichen Vorschlägen vorgeprescht, um aus der angespannten Lage politisches Kapital zu schlagen. Damit hat die Koalition eine völlig falsche Erwartungshaltung geschürt.
Denn die Politik kann gegen die Inflation nichts ausrichten. Das kann nur die Notenbank, und selbst die in Zeiten von gestörten Lieferketten und Energieengpässen nur bedingt. Die Bundesregierung muss sich deshalb darauf beschränken, die Inflationsfolgen zielgenau abzufedern, statt dem Irrglauben zu unterliegen, mit Staatsdirigismus und Umverteilung in dieser Krise etwas bewirken zu können.
So nutzte etwa die SPD den Inflationsgipfel im Kanzleramt, um für höhere Steuern für Reiche zu trommeln. Den Chef-Populisten gab dabei SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, der erklärte, einfache Einkommen müssten höhere Krankenbeiträge zahlen, weil die FDP ja keine Übergewinnsteuer wolle. Dass die Finanzlöcher in der Krankenversicherung der Ausgabepolitik der Großen Koalition geschuldet sind, verschwieg Kühnert unter Verdrängung des Ursache-Wirkungs-Prinzips geflissentlich.
Die Grünen wiederum wehren sich gegen den Abbau der kalten Progression. „Steuersenkungen“ könne man sich jetzt nicht leisten. Das ist ein interessantes Framing, denn beim Abbau der kalten Progression handelt es sich lediglich um einen Ausgleich bereits eingetretener Belastungen: Arbeitnehmer zahlen inflationsbedingt höhere Steuern, obwohl sie real gar nicht mehr verdienen. Wer das in der jetzigen Lage ernsthaft will, soll das bitte auch so kommunizieren.
FDP-Bundesfinanzminister Christian Lindner begründet sogar seine gesamte Finanzpolitik mit Inflationsbekämpfung. Doch so richtig sein Ansatz ist, in einer Ära der Knappheit eine unternehmensfreundliche Politik zu betreiben – der zweite Teil seiner Strategie ist zweifelhaft: Mit geringeren Staatsausgaben wird Lindner wohl kaum die Inflation dämpfen.
Statt wie beim zweiten Entlastungspaket die Subventions-Gießkanne auszuschütten, muss die Ampel im anstehenden Herbst gezielt den Menschen helfen, die durch höhere Preise in Existenznot geraten. Untere Einkommen müssen ihre Gasrechnungen stunden können, im Extremfall zeitweise durch einen Gaspreisdeckel entlastet werden. Viel mehr steht nicht in der Macht der Politik.
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