Kommentar Die Vorwürfe gegen die Allianz sind eine ungewohnte Bewährungsprobe für Oliver Bäte

Anfang Dezember will Bäte seinen neuen Drei-Jahres-Plan vorstellen. Der Streit in den USA könnte ein Störfaktor werden.
Man könnte viele Fragen stellen nach den Vorwürfen um Milliardenverluste bei Anlageprodukten der Allianz in den USA. Warum bietet ein derart seriöses Haus überhaupt Produkte an, die eine Rendite bis zu zehn Prozent über einem Vergleichsindex versprechen? Aber auch: Warum investiert eine Pensionskasse für Lehrer die Sparbeträge in einen solch riskanten Hedgefonds?
Im Kern geht es jetzt aber darum, wie schnell der erfolgsverwöhnte Allianz-Konzern das drohende Milliarden-Problem aus der Welt schafft. Zum ersten Mal in seiner Amtszeit muss Konzernchef Oliver Bäte zeigen, ob er auch Krise kann. Bisher nämlich ist am Münchener Versicherer alles abgeprallt: Pandemie, Naturkatastrophen, Nullzinspolitik. Stets stiegen die Gewinne weiter, alle Risiken wirkten planbar.
Nun bereitet ausgerechnet die kleinste Geschäftseinheit Probleme mit einem überschaubaren Spezial-Portfolio: das Asset-Management – und hier mit Allianz Global Investors (AGI) auch noch die deutlich kleinere der beiden Töchter neben Pimco. Das wirkt wie Ironie. Der Gigant Allianz hat irgendwo in seinem weltweiten Riesenreich eine kleine Einheit, die zum Problem für den Konzern wird.
Die seit Jahren strahlenden Bilanzen könnten je nach Ausgang und Ablauf der Untersuchungen für eine längere Phase belastet sein. Den Konzern mit seinem dicken Finanzpolster wird das zwar nicht erschüttern. Es bleibt jedoch ein Makel.
Umso mehr ist es von Bedeutung, dass die Konzernspitze eingreift. Bisher fährt die Allianz in diesem Fall eine harte Linie ohne Zugeständnisse an die Gegenseite. Nun aber drohen Konzernchef Bäte selbst Vorladungen vor die Ausschüsse von US-Behörden. Auch wenn sich der Versicherer im Recht fühlt, sind solche Termine für Firmenchefs stets maximal unangenehm – deutsche Autobosse wie auch die Chefs der US-Internetgiganten wissen, wovon die Rede ist.
Bäte muss den Rechtsstreit schnell beenden
Bäte wird auch anders auftreten müssen als bisher. Die Rolle als unangefochtener Champ, der den Konzern von Erfolg zu Erfolg führt, ist in diesem Fall unangemessen. Stattdessen sind im Kreuzfeuer der Ermittlungen Zurückhaltung, Diplomatie und Demut gefragt. All diese Charakteristika zählen bislang nicht zu den bekannten Kerneigenschaften des dominierenden Konzernchefs.
Der Ausgang der Auseinandersetzung in den USA hat noch eine größere Dimension. Anfang Dezember will Bäte seinen neuen Drei-Jahres-Plan vorstellen. Weiteres Wachstum ist dabei vorprogrammiert. Ein langer Rechtsstreit passt da nicht ins Bild – Bäte muss ihn schnell beenden. Notfalls muss dafür auch die gut gefüllte Schatulle geöffnet werden.
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