Kommentar: Ein neues Momentum breitet sich in Europa aus – mit viel Energie


Eine Zeltstadt mitten in Heilbronn, 200 Redner aus aller Welt, 1400 Gäste aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft – und über 150.000 Menschen im Livestream: Das war die erste Technology Experience Convention Heilbronn (TECH), die neue Zukunftskonferenz des Handelsblatts in Zusammenarbeit mit Schwarz Digits. Sie ging diese Woche zu Ende – und hat etwas hinterlassen.
Vor der Hauptbühne auf der Heilbronner Theresienwiese standen die Menschen immer wieder dicht an dicht. Besonders groß war der Andrang vor dem Auftritt von Karsten Wildberger, dem neuen Bundesdigitalminister.
Als der frühere Topmanager über die „Start-up-Atmosphäre“ in seinem Ministerium und seine Vision eines vollständig digitalen Alltags sprach, gab es immer wieder Szenenapplaus: Das war kein höfliches Nicken, das war echter Zuspruch.
In seinem ersten öffentlichen Interview als Minister erklärte Wildberger, wie er die Digitalisierung zum Beschleuniger des Lebens machen wolle: „bei der Meldung einer neuen Adresse, der Eröffnung eines Bankkontos, der Unterzeichnung von Verträgen“. Sein Ziel: eine digitale Wallet, in der künftig alles steckt – Personalausweis, Führerschein, Bahnticket, Zeugnisse, berufliche Abschlüsse, Bankvollmachten und Kreditkarten.
Kaum hatte Wildberger den letzten Satz gesprochen, brach der Applaus erst richtig los. Über eine Minute lang klatschten die Gäste – einige standen auf. Eine Teilnehmerin sprach später von einem echten „Gänsehautmoment“. Und das, obwohl der Neupolitiker nichts verkündet hatte, was es nicht längst anderswo in Europa gibt: eine digitale Wallet, eine verlässliche Infrastruktur, unkomplizierte Gründungen.

Dass der Physiker und Digitalexperte mit seinen Worten trotzdem so viele bewegte, lag vielleicht an etwas anderem: Viele hatten den Eindruck, dass da auf der Bühne einer steht, der tatsächlich umsetzt, worüber die deutsche Politik seit Jahrzehnten nur redet, dass Deutschland nun endlich auch in der digitalen Realität ankommt.
Festival des Aufbruchs – mit viel Energie
Die TECH wurde so tatsächlich zu einem Festival des Aufbruchs. Was sie von vielen anderen Konferenzen unterschied, war aber nicht nur das Line-up und die eigens aufgebaute Zeltstadt mitten in Heilbronn. Es war die Energie in diesen Zelten – und die Ahnung, dass sich gerade etwas dreht, dass aus Gedanken Taten werden. In den meisten Diskussionen ging es um die technologische Zukunft Europas.
Das Besondere war: Die Gespräche endeten nicht wie sonst so oft bei der Beschreibung der Probleme. Stattdessen standen Ideen in ihrem Mittelpunkt, Zukunftsstrategien, neue Allianzen.
„Jeder für sich allein ist dazu zu klein, selbst die größten unter ihnen. Nur gemeinsam werden sie eine souveräne Zukunft in Eigenständigkeit und Freiheit haben können“, sagte Joschka Fischer über die Nationalstaaten der Europäischen Union. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing sieht in der aktuellen Weltlage eine „riesige Chance“.

Die weltgrößten Investmentfonds etwa diskutieren gerade, ob sie wieder mehr in Europa investieren sollen, berichtete er in Heilbronn. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) wiederum verwies bei ihrem Auftritt auf die vielen Talente, die sich gerade aus den USA in Richtung Europa orientieren – und versprach auf der Bühne in Heilbronn deutlich mehr Geld für Start-ups.
Natürlich: Ein Festival des Aufbruchs ersetzt noch keine Strategie. Euphorie allein baut keine Glasfaser, kein Rechenzentrum, kein digitales Ökosystem. Und für Europa bedeutet die Trump’sche Revolution erst einmal ein kaum kalkulierbares Risiko für Europa. Die einstige Führungsmacht des freien Westens wendet sich vom transatlantischen Bündnis ab, während Europa im Osten unter Beschuss steht.
Derisking ist längst keine China-Frage mehr – es wird auch gegenüber den Vereinigten Staaten notwendig. Wie verletzlich technologische Abhängigkeit sein kann, zeigte zuletzt der Fall des EU-Chefanklägers: Nach einer Sanktion von US-Präsident Donald Trump wurde sein E-Mail-Konto von Microsoft kurzerhand gesperrt.
Aber genau deshalb ist die technologische Souveränität Europas das Thema der Stunde. Und dieses Europa erlebt gerade so eine Art Momentum. „Bei meinen Gesprächen hier spüre ich einen neuen Schwung“, sagte Citi-Chefin Jane Fraser, eine der mächtigsten Bankerinnen weltweit, im Handelsblatt-Interview.
Trump stärkt Europa
Der Politikwechsel in den USA wirke wie ein Katalysator: Die Tatsache, dass sich die Vereinigten Staaten stärker auf ihre eigenen Interessen konzentrieren, sagte Fraser, „wird Europa zwingen, selbstständiger und widerstandsfähiger zu werden“.
Die TECH hat gezeigt, wie das aussehen könnte. Drei Tage lang wurde nicht über Rückstand geklagt, sondern über Fortschritt verhandelt. Über europäische Chips, KI-Modelle, Verteidigungstechnologie, Quantencomputer, Biotechnologie. Über Milliardeninvestitionen, die Europa wieder zum Ort technologischer Führerschaft machen könnten – wenn wir jetzt die richtigen Entscheidungen treffen.
Vor allem aber ging es um Haltung. Um das Selbstverständnis eines Kontinents, der lange geübt hat, vorsichtig zu sein – und nun beginnt, an seiner eigenen Zukunft zu arbeiten.
Für das Handelsblatt ist die TECH aber nur die erste Station einer langen Reise. Denn wir wollen, dass dieses Gespräch weitergeht. Wir werden die Themen auf all unseren Kanälen weiterdenken. Zudem werden wir um die TECH eine Community aufbauen, die sich auch über die Konferenz hinaus zu spezielleren Themen austauscht.






Es soll kleinere Events geben, bei denen diese klugen Köpfe zusammenkommen. Bis wir uns dann im Juni 2026 wieder in der TECH-City in Heilbronn treffen.
Wir alle wissen, die Zukunft wartet nicht. Aber wir auch nicht.
Mehr: Diese zehn Technologien entscheiden über Deutschlands Zukunft










