Kommentar: Lambrecht ist selbst beim Rücktritt überfordert
Die ehemalige Bundesverteidigungsministerin hatte keinen Zugang zu den Soldaten gefunden.
Foto: dpaDer Rücktritt von Christine Lambrecht ist für Olaf Scholz erst mal eine gute Nachricht. Das Vertrauenskapital der Verteidigungsministerin war am Ende aufgebraucht, bei den Bürgerinnen und Bürgern, den osteuropäischen Bündnispartnern und den anderen Nato-Verbündeten.
Der Kanzler hatte ihr noch zum Start der Ampelkoalition prophezeit, aus ihr würde eine „ganz, ganz besondere Verteidigungsministerin der Bundesrepublik Deutschland“. Das war sicherlich der Euphorie zum Start der Ampelkoalition geschuldet. Jetzt fallen die Pleiten von Lambrecht auch auf ihn zurück.
Selbst ihr Rücktritt misslang. Die Ministerin sieht die Schuld in der „medialen Fokussierung“ auf ihre Person. Doch nicht die Journalisten haben ihren Sohn in den Regierungshubschrauber nach Sylt gesetzt und für die sozialen Medien fotografiert. Es waren auch keine Journalistinnen, die das völlig verunglückte Silvestervideo auf dem Alexanderplatz in Berlin drehten.
Abgesehen davon hätte das allein zum Sturz der Ministerin nicht gereicht. Bei Lambrecht war vor allem eines ausschlaggebend für ihren Rücktritt: Sie hatte vom Militär keine Ahnung und fand nie einen Zugang zu den Soldatinnen und Soldaten. Im Ukrainekrieg mit all seinen Verwerfungen wirkte sie wie eine Getriebene. Der Rücktritt war überfällig.
An erfolgreiche Bundesverteidigungsministerinnen und -minister kann man sich kaum erinnern. Als Idealbesetzung gilt nach wie vor Peter Struck. Der SPD-Politiker schied 2005 aus dem Amt. Das ist nun bald 18 Jahre her.
Herausgekommen ist aus laufenden Fehlbesetzungen die kleinste und am schlechtesten ausgestattete Bundeswehr aller Zeiten. Das kümmerte niemanden, es war bequem. Nur die frühere Kanzlerin Angela Merkel mahnte 2017 nach einem Treffen mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump, dass die Zeiten, in denen sich Deutschland auf andere verlassen könne, ein Stück weit vorbei seien. Das war es dann auch. Passenderweise sagte die Kanzlerin das in einem Münchener Bierzelt. War wohl nicht so wichtig.
Lambrecht-Rücktritt: Die Probleme der Bundeswehr bleiben
Seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist alles anders, und nun ist der Posten an der Spitze des Verteidigungsministeriums von großer Bedeutung. Auch wenn Lambrecht geht – die Probleme bleiben. Sie oder er muss die von Kanzler Scholz ausgerufene „Zeitenwende“ mit Leben füllen, die Bundeswehr reformieren und vor allem: das Vertrauen wieder aufbauen.
Was braucht es dafür? Wer auch immer an die Spitze der Bundeswehr tritt, sollte sich zuerst einmal eine eigene Meinung zutrauen. „Owd – Olaf will das“, mit diesem Kürzel regierte Scholz einst als Bürgermeister in Hamburg und wohl auch im Kanzleramt. Absprachen zwischen Verteidigungsressort und Kanzleramt müssen sein. Doch das Kürzel „Owd“ sollte der Vergangenheit angehören.
Genauso wie auch das Hin und Her bei der Positionierung in der Panzerfrage für die Ukraine. Vor allem braucht es bei letzterer eine europäische Zusammenarbeit und kein Vorpreschen wie jüngst durch Frankreich, als Scholz überrumpelt schien und mit seinem Versprechen, den Schützenpanzer Marder liefern zu wollen, reichlich alt aussah.
Wer auch immer Lambrecht nachfolgen wird – der Kanzler sollte mit dem neuen Chef des Wehrressorts sich daran erinnern, dass die Bundeswehr keine Regierungsarmee, sondern eine Parlamentsarmee ist. Die Union stellte zwar in den 16 Jahren Merkel die Verteidigungsminister und trägt damit auch die Verantwortung für den maroden Zustand der Bundeswehr. Doch die Soldaten und Soldatinnen brauchen die gesamte Unterstützung des Bundestags. Die Bürger in Uniform haben das verdient.