Kommentar: Lindners Idee eines pauschalen Tankrabatts ist keine echte Hilfe

Der Finanzminister hatte einen Tankrabatt von 30 bis 40 Cent ins Gespräch gebracht.
Noch streiten sich die Koalitionäre darüber, wie ihr zweites milliardenschweres Entlastungspaket aussehen soll. Doch schon jetzt ist klar, es geht vor allem um ein Signal an Bürger und Unternehmen: Wir lassen euch mit dem Energiepreisschock nicht allein. So hat es nicht nur Bundesfinanzminister Christian Lindner formuliert, sondern auch führende Sozialdemokraten und Grüne.
Die Konsequenz eines solchen Ansatzes zeigt sich bereits: Im Vordergrund steht nicht mehr die Frage, wer Hilfe wirklich benötigt. Stattdessen geht es darum, dass der Staat möglichst jeden unterstützt. Besonders deutlich werden die Probleme einer solchen staatlichen Vollkasko-Mentalität bei dem von Lindner vorgeschlagenen Tankrabatt.
Ohne Frage können die jetzigen Energiepreise für Bürger wie Wirtschaft zu einer existenziellen Belastung werden. Insofern ist ein Eingreifen des Staates gerechtfertigt. Es muss aber nicht in ziellosen Aktionismus münden. Dort, wo Unternehmen, die eigentlich wettbewerbsfähig sind, in Not geraten, muss geholfen werden. Solch ein Schutz der wirtschaftlichen Basis zahlt sich für den Staat langfristig aus.
Unterstützung ist auch da notwendig, wo Bürger durch die Preissprünge in wirkliche Not geraten. Das betrifft mittlerweile vor allem die Mittelschicht. Anders als bei den Beziehern von Grundsicherung werden bei ihr steigende Heizkosten nicht automatisch vom Staat aufgefangen. Und anders als Spitzenverdiener kann die Mittelschicht die Preissteigerung nicht so einfach wegstecken.
Jede Maßnahme, von der die breite Mitte der Bevölkerung profitiert, wird für den Staat schnell teuer. Insofern muss er seine Mittel auf die Bereiche konzentrieren, in denen die Not am größten ist. Ein Tankrabatt würde ausnahmslos jedem gewährt, völlig unabhängig von der Bedürftigkeit. Wer gern am Wochenende mit dem Porsche spazieren fährt, erhält dafür den staatlichen Zuschuss genauso wie der Pendler mit Polo, der aufgrund der hohen Benzinpreise tatsächlich existenzielle Probleme hat.
>> Lesen Sie auch: „Todesstoß für viele kleinere Tankstellenunternehmen“ – Verband warnt vor Tankrabatt
Der Tankrabatt macht deutlich, dass es der Politik nicht nur um gezielte staatliche Eingriffe dort geht, wo sie geboten sind. Vielmehr will sie den Eindruck erzeugen, sie könne Bürger und Unternehmen dauerhaft vor den steigenden Energiepreisen schützen. Das aber ist eine Illusion. Wer sich heute an der Zapfsäule über einen staatlichen Rabatt freut, wird ihn morgen zurückzahlen müssen. Das Geld in der Gießkanne der Ampel wird aus Steuern finanziert oder aus Schulden, die aber auch wieder abgebaut werden müssen.

Jede Maßnahme, von der die breite Mitte der Bevölkerung profitiert, wird für den Staat schnell teuer.
Allein ein Tankrabatt von 20 Cent würde den Fiskus monatlich eine Milliarde Euro kosten. Und das wird bei Weitem nicht die einzige kostspielige Maßnahme im Ampelpaket. Setzt die FDP ihren Benzinzuschuss durch, werden auch Sozialdemokraten und Grüne Entlastungen in ähnlichen Größenordnungen bekommen.


Die Ampelkoalition mag darauf setzen, dass sich die Lage am Energiemarkt bald wieder beruhigt. Doch sie muss auch für den Fall gerüstet sein, dass die Preise hoch bleiben oder bei einer Eskalation mit Russland sogar noch weiter steigen. Das verlangt bei den notwendigen Entlastungen für Bürger und Unternehmen ein zielgenaues und möglichst effektives Vorgehen.
Kanzler Olaf Scholz und Lindner haben betont, dass Deutschland nur Sanktionen gegen Russland verhängen sollte, die es auch durchhalten könne. Das gilt für die begleitenden staatlichen Hilfsmaßnahmen für deutsche Bürger und Unternehmen genauso.





