Kommentar: Lindners Luftnummer: Der Finanzminister rechnet seine Steuererleichterungen groß

Der FDP-Chef kann keine großen Steuersenkungen vornehmen. Dies lassen Koalitionsvertrag und der Spielraum im Haushalt nicht zu.
Zum Jahresstart wollte Christian Lindner Erfreuliches kundtun. „In dieser Legislaturperiode werden wir die Menschen und den Mittelstand um deutlich mehr als 30 Milliarden Euro entlasten“, kündigte der Bundesfinanzminister in der „Bild am Sonntag“ an.
Und während manch Steuerzahler sich angesichts der Zahl freute, ging beim grünen Koalitionspartner schon das Grummeln los: Es gelte doch bei der Ampel der Vorrang von Investitionen vor Steuersenkungen.
Tatsächlich ist Lindners Ankündigung weder Grund zu großem Jubel der Steuerzahler noch für Ärger bei den Etatisten. Die 30 Milliarden Euro Entlastungen klingen gigantischer, als sie es bei näherer Betrachtung sind.
Zwei konkrete Maßnahmen nennt Lindner: Die EEG-Umlage auf den Strompreis wird abgeschafft. Und die Beiträge zur Rentenversicherung sollen voll von der Steuer absetzbar werden. Beides ist allerdings keine Erfindung des neuen Bundesfinanzministers. Und es ist auch keine Entlastung im eigentlichen Sinne.
Das Abschmelzen der EEG-Umlage hatte schon die Große Koalition begonnen. Zum Jahreswechsel ist sie so stark gefallen wie lange nicht. Die Ampelkoalition hat im Koalitionsvertrag vereinbart, die EEG-Umlage bei den Stromkunden ganz zu streichen. Allerdings soll das den steigenden CO2-Preis kompensieren. Mit anderen Worten: Bürger und Unternehmen finanzieren diese von Lindner als Entlastung etikettierte Maßnahme an anderer Stelle gegen.
Die volle Absetzbarkeit der Rentenversicherungsbeiträge ist ebenfalls schon lange geplant, soll nun aber früher erreicht werden. Das ist löblich, geht aber im Wesentlichen auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs im vergangenen Jahr zurück.
Nach der Entscheidung der Richter hatte schon der frühere Finanzminister Olaf Scholz das Vorziehen der Maßnahme vorbereiten lassen. So soll eine doppelte Besteuerung vermieden werden. Eine echte Steuersenkung ist also auch dies nicht, sondern die Vermeidung einer fragwürdigen Belastung.
Was sonst noch so im 30-Milliarden-Euro-Paket steckt, hat Lindner nicht verraten. Es wird aber nichts sein, was die Steuerzahler spürbar merken. Das gibt die Summe nicht her.
Sie klingt groß, bezieht sich aber auf die gesamte Legislaturperiode, also drei Jahre bei Maßnahmen, die ab 2023 in Kraft treten. Damit geht es um rund zehn Milliarden Euro jährlich, von denen ein Teil schon die EEG-Umlage und die Absetzbarkeit der Rentenbeiträge ausmacht.
Die großen Steuersenkungen sind nicht zu erwarten
Selbst die Große Koalition hat in der vergangenen Legislaturperiode mit der Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags, der Erhöhung von Kinderfreibetrag und Kindergeld sowie der Senkung des Arbeitslosenbeitrags für deutlich mehr Entlastung gesorgt. Und angesichts der Folgen der Coronapandemie werden sich Arbeitnehmer wie Arbeitgeber in den kommenden Jahren eher auf steigende Sozialbeiträge gefasst machen müssen, was die kleinen Entlastungen bei der Steuer schnell wettmachen wird.
Unterm Strich sind also von der Ampel nicht die großen Steuersenkungen zu erwarten, die Lindner suggerieren will, wenn er die Zahl 30 Milliarden Euro ins Schaufenster stellt.
Die Koalitionspartner haben sich in der Steuerpolitik gegenseitig blockiert: SPD und Grüne wollten eine Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen nur bei einer Anhebung des Spitzensteuersatzes, was wiederum die FDP ablehnte. Als kleinster gemeinsamer Nenner blieb da weitgehender Stillstand.



Und zur Wahrheit gehört auch: Die Haushaltsspielräume sind gering angesichts der finanziellen Folgen der Pandemie und der Schuldenbremse, welche die Ampel ab 2023 wieder einhalten will. Das alles ist nicht die Schuld des Finanzministers. Es ist aber auch keine gute Grundlage, um große Entlastungen zu suggerieren.





