Kommentar: M statt XXL: Der Bundestag muss zurück zur Normalgröße

Nach dieser Wahl sitzen mit 735 Abgeordneten so viele Politiker im Parlament wie nie zuvor.
Wenn der Deutsche Bundestag ein Kleidungsstück wäre, dann hätte er mittlerweile Größe XXL erreicht: 735 Abgeordnete werden in der nächsten Legislaturperiode im Parlament sitzen. So viele wie nie zuvor. Viel mehr als eigentlich vorgesehen.
Seit vor der Wahl 2013 die Ausgleichsmandate eingeführt wurden, dehnt sich der Deutsche Bundestag immer weiter aus. Der Grund: das Verhältniswahlrecht. Bekommt eine Partei durch die Erststimme mehr Direktmandate als sie durch die Zweitstimme eigentlich prozentual besetzen dürfte, ziehen die Direktkandidaten dennoch in den Bundestag ein. Die anderen Parteien bekommen dafür Ausgleichmandate, um das Verhältnis der Wählerstimmen im Parlament korrekt abzubilden.
Die Folge: Das Parlament weitet sich immer mehr, wie ein altes T-Shirt, das viel zu oft getragen wurde. Zwar ist das Schreckensszenario eines Bundestags mit über 1000 Abgeordneten nicht eingetreten. Und doch ist ein Apparat, der eigentlich auf 598 Mandatsträger ausgelegt ist, irgendwann einfach übervoll.
Denn das beeinträchtigt nicht nur die Effizienz. Es ist auch verdammt teuer. 2020 kostete der Deutsche Bundestag mit damals „nur“ 709 Mandatsträgern mehr als eine Milliarde Euro. Eine echte Wahlrechtsreform ist längst überfällig. Der perfekte Zeitpunkt für die FDP und die Grünen, die jetzt anzustoßen.
Ihre Forderungen stellten sie schon im vergangenen Jahr gemeinsam mit den Linken: Deutlich weniger Wahlkreise, ergo weniger Direktmandate, ergo weniger Überhangmandate, ergo weniger Ausgleichmandate. Das hat schon einmal funktioniert: Nachdem nach der Wiedervereinigung zu knapp 250 westdeutschen plötzlich 80 ostdeutsche Wahlkreise dazukamen, wuchs der Deutsche Bundestag sprunghaft an. 2002 wurden die Wahlkreise dann weniger und mit ihnen auch die Abgeordneten im Parlament.
Doch die GroKo hielt nichts von den Vorschlägen von Grünen, Linken und FDP – immerhin profitieren vor allem die großen Volksparteien von der derzeitigen Regelung. Stattdessen brachte sie ein Reförmchen auf den Weg, das faktisch fast nichts brachte.
Jetzt sieht die Verhandlungsposition von Grünen und FDP anders aus: Union und SPD sind auf ihre Gnade angewiesen. Wer Kanzler werden will, muss den XXL-Bundestag bei 90 Grad waschen – damit er wieder Größe M bekommt.
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