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Kommentar Nach Merkels Abgang wird in der Russlandpolitik ein großes Vakuum entstehen

Die Kanzlerin hat ihre Ziele in der Russlandpolitik verfehlt, aber Wladimir Putin lange die Stirn geboten. Die EU verliert den wirksamsten Kontakt in den Kreml.
20.08.2021 - 04:05 Uhr Kommentieren
Das Verhältnis Deutschlands und Russlands war immer von einer besonderen historischen und menschlichen Bedeutung. Quelle: via REUTERS
Angela Merkel und Wladimir Putin

Das Verhältnis Deutschlands und Russlands war immer von einer besonderen historischen und menschlichen Bedeutung.

(Foto: via REUTERS)

Ausgerechnet in einem großen Zelt machte Angela Merkel im Juli 2006 ihrem Unmut über den vom KGB-Offizier zum Staatspräsidenten aufgestiegenen Wladimir Putin Luft. In einem als vertraulich deklarierten „Hintergrundgespräch“ zog die damals erst einige Monate regierende Kanzlerin über den da schon seit 1999 herrschenden Russen her.

Putins Geheimdienstler brauchten nicht einmal aufwendige Lauschtechnik – die frühere DDR-Bürgerin machte ihrem Ärger am Rande des G8-Gipfels in Putins Heimatstadt St. Petersburg vor Journalisten nur abgeschirmt von einer Plastikplane Luft.

Putin, der die deutsche Regierungschefin am Freitag zum letzten Mal vor dem Ende ihrer Regierungszeit empfängt, machte seine Abneigung gegen die CDU-Politikerin nur ein Jahr später deutlich: Da brachte er zu einem Treffen seine Labradorhündin Koni mit – wohl wissend, dass Merkel nach einem Hundebiss in ihrer Jugend „nicht gerade begierig darauf war, seinen Hund zu begrüßen“, wie sie sich später erinnerte.

Das Kräftemessen spielte zwischen den beiden in Abneigung Verbundenen immer eine Rolle. Auch am Tag vor Merkels Mission in Moskau am Jahrestag der Vergiftung des inzwischen inhaftierten Oppositionellen Alexej Nawalny verbreitete das russische Außenministerium wieder wüste Behauptungen über die deutsche Russlandpolitik quasi als typisch unfreundliches Willkommensgeschenk.

Die Ostdeutsche ist den immer wiederkehrenden Charme-Offensiven des Langzeitregenten nicht erlegen, im Gegensatz zu vielen anderen Politikern nicht nur in Europa. Sie steht auch nicht im Verdacht, nach ihrer Amtszeit in Gazprom- oder Rosneft-Dienste zu wechseln wie ihr Vorgänger. Mit dieser Integrität war sie immer die große westliche Gegenspielerin des machthungrigen Kremlchefs.

Zur Überraschung und zum Ärger Russlands hat sie bis heute die Sanktionsfront der EU gegen Russland wegen der Annexion der ukrainischen Schwarzmeerhalbinsel Krim und der gezielten Unterminierung des reformorientierten Nachbarstaats Ukraine zusammengehalten. Dies ist angesichts der Mischung aus Verlockungen und Druck aus Russland auf einzelne europäische Staaten ein bemerkenswerter Erfolg und nötigt Moskau bis heute Respekt für die „Eiserne Kanzlerin“ ab.

Quelle: Burkhard Mohr
Karikatur
(Foto: Burkhard Mohr)

Das Verhältnis Deutschlands und Russlands war immer von einer besonderen historischen und menschlichen Bedeutung. Auch deshalb hat Merkel den russischen Präsidenten so oft wie keinen anderen Staatschef getroffen.

Mit Katharina der Großen herrschte sogar einmal eine deutsche Prinzessin aus Anhalt-Zerbst als Zarin über die Weiten zwischen Europa und Asien. Hitler und Stalin unterjochten Osteuropa. Die Wehrmacht brachte die größten Verheerungen mit den Menschheitsverbrechen des Zweiten Weltkriegs über die Sowjetunion und dort besonders über die Ukraine, Weißrussland und Russland.

Wegen ihrer Bedeutung als Überlebenskampf werden die im Osten geschlagenen Schlachten in Russland bis heute Großer Vaterländischer Krieg genannt. Nach der Eroberung Berlins 1945 und der Befreiung vom Hitler-Faschismus zusammen mit den Westalliierten herrschte Moskau bis 1989 de facto über den Osten Deutschlands.

Merkel hat sich an Putin die Zähne ausgebissen

Die Kanzlerin, die Russisch spricht, und der Deutsch sprechende Kremlchef waren so auch immer um Aussöhnung bemüht, die historische Last auf ihren Schultern. Doch sie vertraten dabei zwei völlig divergierende Linien: Putin sieht sich bis heute als die Figur, die Russland nach der Schmach des Zerfalls der Sowjetunion und des Verlusts der wirtschaftlichen und politischen Bedeutung seines Landes seinen historisch geformten Großmachtanspruch zurückbringt. Dafür schob er sein Riesenreich wirtschaftlich wie moralisch weiter nach Osten.

Merkel trat an in einer Zeit, in der in Europa noch viele glaubten, man könne Russland im Sinne westlicher Werte wie Bürgerrechte, Pressefreiheit und tatsächliche Marktwirtschaft dem alten Kontinent annähern. Dies ist gründlich misslungen.

Merkel hat sich an Putin die Zähne ausgebissen. Das in der Ära Willy Brandts geprägte Prinzip des Wandels durch Annäherung nutzte sich an einem Herrscher ab, der den Westen immer wortreicher verdammt, mit Cyberattacken angreift und mit immer neuen Nadelstichen traktiert.

Am Ende der Ära Merkel ist das Verhältnis zwischen Russland und Deutschland sowie der EU schlecht wie nie seit Gründung der Bundesrepublik. Und nun verliert die EU mit Merkels Abgang auch noch den wirksamsten Kontakt in den Kreml. Das durch ihr politisches Ende entstehende Vakuum wird Europa weiter schwächen. Putin, der im historischen Sinne Revanchist ist, hat Merkel im Kreml quasi ausgesessen.

Mehr: Chef der russischen VTB Bank sieht die Welt „längst in einem neuen kalten Krieg“

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