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KommentarNun ist der richtige Zeitpunkt, um den Sozialstaat zu reformieren

Ganze Branchen müssen sich neu erfinden, aber die Wohlfahrt darf nach alten Mustern weiter Misswirtschaft betreiben. So kann es im Lichte der jüngsten Krisen nicht weitergehen.Jürgen Klöckner 28.02.2024 - 14:53 Uhr
Krankenhäuser gehören zu den größten Digitalisierungs-Baustellen. Foto: dpa

Der Kanzler will den Sozialstaat verschonen. Ein Moratorium der steigenden Sozial- zugunsten der Verteidigungsausgaben werde es nicht geben, sagt Olaf Scholz. Damit hat er jede Diskussion über eine große Sozialstaatsreform im Kern erstickt. Das könnte sich noch als historischer Fehler erweisen.

Denn wann, wenn nicht jetzt, will er eine solche Reform anstoßen? Die Gelegenheit ist so günstig wie seit Jahrzehnten nicht. Lange waren die Kassen wegen guter Konjunktur und hoher Beschäftigung gefüllt.

Die gigantischen Ausgaben für Rente, Arbeitslosigkeit, Gesundheit und Pflege fielen zwar ins Gewicht, vergleichsweise kleine und teils mit viel Steuergeld erkaufte Eingriffe reichten aber, um das System am Laufen zu halten. 

Das ist jetzt anders. Die wachsende Kriegsgefahr, die schlechte Ausstattung der Bundeswehr und die Sparzwänge an allen anderen Ecken und Enden des Staates, der Wirtschaft und Gesellschaft entziehen den wachsenden Sozialausgaben die Legitimität. Die Wohlfahrt kann nicht weiter Misswirtschaft betreiben, während sich ganze Branchen neu erfinden müssen.

Kritiker warnen vor gesellschaftlichen Verwerfungen, zu denen ein Moratorium führen könnte – schließlich haben populistische Kräfte, die Staat und Demokratie zersetzen wollen, schon jetzt erschreckenden Zulauf. Im System aber werden Milliarden verschwendet, die niemand vermissen wird.

Das System wird teurer und teurer

Alleine für Gesundheit gibt das Land mehr als vier Sondervermögen pro Jahr aus – so viel wie fast kein anderes der Erde. Der Etat der größten Einzelkasse – der Techniker – mit rund neun Millionen Versicherten ist größer als der Verteidigungshaushalt. Gleichzeitig sind Kliniken marode und Medikamente knapp. Viel Geld kommt also nicht beim Patienten an, sondern versickert im System. 

Gesundheit

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Wer diese Ausgaben für sakrosankt erklärt, verschließt die größten Geldtöpfe, die es im Land gibt. Es geht ja nicht darum, sie zu plündern, aber zumindest dafür zu sorgen, dass kurzfristig nicht mehr Geld der Steuer- und Beitragszahler in sie hineinfließen muss. Daran ändern auch die langfristig angelegten Reformen – etwa im Bereich der Kliniken – nichts. Sie kosten sogar Milliarden.

Eine Studie der Jungen Unternehmer prognostizierte heute gar, dass die Abgabenlast für Unternehmen und Arbeitnehmer in den nächsten Jahrzehnten auf über 50 Prozent steigen könnte. Ein Horror für jeden, der von seinem eigenen Einkommen leben muss. 

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Deutschland hatte zuletzt kurz nach der Jahrtausendwende den Mut, den Sozialstaat zu reformieren. Auch damals waren wir der kranke Mann Europas. Aus der Zeit stammen Ideen wie das steigende Renteneintrittsalter, die Einführung des Fallpauschalensystems für Kliniken, ein Bundeszuschuss aus Steuermitteln für die Krankenversicherung und auch die Praxisgebühr. Der Druck auf die Regierung war so hoch, dass sie sich nicht mehr wegducken konnte. So ist es nun auch.

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