Kommentar: Warum bei der Rente mit Aktien alles besser werden würde
In der Koalition kracht es – mal wieder. Wieder geht es um den Haushalt, wieder stehen sich die Koalitionäre unversöhnlich gegenüber. Und doch ist es dieses Mal anders. Denn aus dem Streit könnte sich tatsächlich etwas Sinnvolles, Produktives ergeben.
Bundesfinanzminister Christian Lindner lenkt den Blick wieder auf das Rentenpaket. Bei den Beratungen im Bundestag dürften Änderungen am Gesetzentwurf folgen. Daraus ergibt sich die Chance, ein „zukunftsfitteres“ Rentensystem zu schaffen. Es ist müßig, sich über die parteipolitischen Motive der streitenden Minister den Kopf zu zerbrechen, denn die Rente und die Aufgabe, Armut im Alter und weiter steigende Sozialabgaben zu verhindern, sind viel wichtiger.
Was also will die FDP? Hinter der Wortneuschöpfung „zukunftsfit“ verbirgt sich eine Idee, die schon ein paar Tage alt ist: die Aktienrente. Sie war eines der wichtigen Ziele der Liberalen im Vorfeld der letzten Bundestagswahl und sollte auch der Herzenswunsch aller sein, die im Ruhestand, nicht darben wollen. Doch die Aktienrente wurde zum Generationenkapital, einem Kapitalstock, der die gesetzliche Rente unterstützen soll – immerhin!
Eine Art „Doppelwumms“ für die Rente
Doch nun könnte der neue Anlauf im Rahmen des Zukunftsfinanzierungsgesetzes II kommen. Nach den Wünschen der Liberalen soll es gleich zwei Möglichkeiten geben, für die Rente stärker am Aktienmarkt zu sparen. Käme der Vorschlag aus der SPD, würde der Kanzler wohl wieder einmal von einem „Doppelwumms“ sprechen. Die Liberalen wollen ein gefördertes Depot für die private Altersvorsorge auf den Weg bringen und das, was als Generationenkapital geplant war, ausbauen.
Mit dem Altersvorsorgedepot könnten Bürgerinnen und Bürger mithilfe des Staates Geld am Aktienmarkt, idealerweise in Form von ETFs anlegen. Das Geld dafür soll aus dem Budget für die Riesterrente kommen. Riestern wird ohnehin immer unbeliebter. Bestehende Riesterverträge müssten dann entweder nach und nach zu Ende bespart oder abgewickelt werden. Das wäre aufwändig, aber nicht unmöglich.
Im zweiten Schritt soll das Generationenkapital zu einer echten Aktienrente umgebaut werden. Hierbei gilt, wie so oft, wenn in Deutschland über eine Aktienrente gesprochen wird, Schweden als Vorbild.
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In Schweden zahlen Arbeitnehmer 16 Prozent des Bruttogehalts in das klassische umlagefinanzierte Rentensystem. Hinzu kommt noch ein langfristig festgelegter Beitrag für eine sogenannte Prämienrente von 2,5 Prozent des Bruttoeinkommens. Dieser Anteil fließt zur privaten Altersvorsorge zwangsweise in Altersvorsorgefonds. Beide Komponenten werden zu je 40 Prozent vom Arbeitnehmer und zu 60 Prozent vom Arbeitgeber gespeist.
Zahlt der Betrieb oder der Staat?
Das schwedische Modell als Blaupause für Deutschland wirft Fragen auf: In Schweden kommt das Geld für die Aktienrente zum Teil von den Unternehmen. Was heißt das für betriebliche Altersversorgung (bAV) in Deutschland? Wer zahlt also mit, der Staat oder die Betriebe? Und die psychologische, aber wichtige Frage: Wäre eine solche Rente angesichts der Aktienmuffeligkeit vieler Deutscher durchsetzbar?
Zunächst einmal zur bAV: In diesem Land gibt es ein etabliertes System der Betriebsrenten, in das Arbeitnehmer und Arbeitgeber einzahlen und das von 40 Prozent der Angestellten genutzt wird. Hier ist es sinnvoller, den Anteil derer, die hier versorgt werden, zu erhöhen.
Das Betriebsrentenstärkungsgesetz hat genau das zum Ziel. Es entbindet Unternehmen aus der Pflicht, für die zugesagten Renten geradestehen zu müssen. Ein Umstand, der bislang vor allem kleinere Unternehmen abgeschreckt hat, für ihre Mitarbeiter eine Rente aufzubauen. Leider hat das Gesetz bislang nicht dafür gesorgt, mehr Angestellten eine Betriebsrente zu bescheren.
Da lohnt sich ein Blick auf die andere Seite des Erdballs. In Neuseeland gibt es die sogenannte Kiwi-Rente: Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen zu gleichen Teilen in ein vom Staat zertifiziertes Anlageprodukt auf Basis von Aktien ein. Zur Auswahl stehen verschiedene Produkte von privaten Anbietern. Der Staat zertifiziert diese nicht nur, sondern sorgt auch noch dafür, dass die Produkte wenig kosten.
Ein solches System in Deutschland einzuführen, würde mutmaßlich weniger an den einzelnen Arbeitnehmern scheitern, sondern voraussetzen, dass sich die Sozialpartner der Industriezweige einigen. Und das könnte schwer werden. Stichwort: Aktienmuffeligkeit. Dennoch wäre es einen Versuch wert. Denn die Menschen in diesem Land müssen sich immer mehr gewahr werden, es gibt nicht die eine Rente, und gut im Alter leben kann nur, wer neben der gesetzlichen, eine betriebliche Rente hat und zudem auf ein gut aufgestelltes Depot zurückgreifen kann.
Wie Aktienmuffel sich für die Börse begeistern
Bleibt die private Vorsorge. Hier ist die Idee eines privaten Vorsorgedepots goldrichtig. Allerdings besteht die Gefahr, dass viele Menschen in diesem Land – hier kommt wieder das Stichwort Aktienmuffel – nicht zugreifen. Es braucht Anreize, aber die richtigen.
Bevor nun Fördertöpfe gefüllt werden, deren komplizierte Abrufregeln einen Abschluss als Verwaltungswirt erfordern, sollten sich die Menschen hinter der Rente mit viel simpleren Reizen auseinandersetzen. Eine Spekulationsfrist, die Gewinne nach einer bestimmten Zeit oder ab einem gewissen Alter des Sparers steuerfrei macht, wäre sinnvoller. Schließlich ist hierzulande kaum ein Trieb deutlicher ausgeprägt als der, Steuern zu sparen, und es wäre töricht, dies nicht zu nutzen.