Leserdebatte: Welche Projekte sollte der Staat fördern, welche nicht?

Die Regierung veranschlagt für 2024 Finanzhilfen in einer Rekordhöhe von 48,7 Milliarden Euro. Kleine, kommunale Förderprojekte sind dabei teils noch gar nicht miteingerechnet. Gleichzeitig muss der Bund rund 20 Milliarden Euro einsparen und weiß nicht, wo.
Wir haben die Leserschaft gefragt, welche Förderprogramme sinnvoll sind und ob es Grenzen geben sollte.
Die Leserschaft ist sich einig: Die Subventionspolitik der Bundesregierung muss dringend überarbeitet werden. Vielen Leserinnen und Lesern fehlt es an einer klaren Zielsetzung, was überhaupt mit den Subventionen erreicht werden soll. Was gefördert werde, müsse „man sich ganz genau überlegen und vor allem zu Ende denken“, meint ein Leser. Stattdessen würde jedoch nach „parteipolitischem Kalkül“ verteilt, ergänzt ein anderer.
Sinnvoll wäre es, wenn nur jene Projekte gefördert würden, die „die gesellschaftlichen Ziele und Anforderungen der Zukunft erfüllen“, schlägt ein Leser vor. Das kann durchaus auch in „kleinen, kommunalen Projekten“ der Fall sein, schreibt ein Leser und begrüßt daher deren finanzielle Unterstützung trotz „klammer Kasse“.
Einige Leser nennen „Start-ups für Zukunftstechnologien“ als Beispiel eines Bereichs, bei dem Förderungen sinnvoll sind. Ein Leser wünscht sich Subventionen für die „Exploration von seltenen Erden und wichtigen Rohstoffen“, ein anderer nennt den Bereich der Freiwilligenarbeit und begründet: „Der Bedarf wird steigen.“ Nicht subventioniert werden sollten hingegen „Megakonzerne mit Milliardenumsätzen“, findet ein weiterer Leser.
Viele Leser wünschen sich auch, dass die Subventionen gekürzt werden. Zum einen seien es momentan „zu viele“ Förderprogramme, wodurch die Fördermöglichkeiten für potenzielle Empfänger unübersichtlich werden und Sachbearbeiter und Berater überfordere, argumentiert ein Leser.
Außerdem sollte auch die Förderdauer begrenzt werden, ein Leser schlägt zwei Jahre vor „mit einmaliger Verlängerungsoption um weitere zwei Jahre“. So könnte besser kontrolliert werden, „ob der Förderzweck erreicht wurde“. Unbedingt sei zu verhindern, dass sich Empfänger auf die Förderungen einrichten und die ursprüngliche Idee „im Sande verläuft“, fügt er hinzu.
Haushaltslöcher ließen sich im Übrigen „nicht nur durch Sparen stopfen, sondern auch durch Optimieren von bestehenden beziehungsweise dem Erschließen neuer Einnahmequellen“, merkt ein Leser an und schlägt eine Vermögensteuer vor.
Für die aktuelle Ausgabe unseres Leserforums haben wir aus den unterschiedlichen Zuschriften eine Auswahl für Sie zusammengestellt.
Subventionsdauer verkürzen
„Subventionen sollten lediglich für eine Förderperiode von zwei Jahren ausgelegt sein, mit einmaliger Verlängerungsoption um weitere zwei Jahre. Nur so kann kontrolliert werden, ob der Förderzweck erreicht wurde und lediglich noch etwas mehr Zeit benötigt.
Für gesellschaftlich erwünschten Wandel braucht es Subventionen, es gilt aber zu verhindern, dass die Empfänger sich darauf einrichten und die ursprüngliche Idee nur noch verwaltet wird und im Sande verläuft.“ Hendrik Meyer
Es ist wie Zigaretten rauchen
„Als Gesamtheit muss man Förderprogramme in die gleiche Kategorie wie das Rauchen von Zigaretten einordnen.
Es scheint am Anfang ein Genuss zu sein, macht jedoch schnell abhängig. Infolgedessen zeigt man Handlungen und trifft Entscheidungen, die sogar den eigenen Interessen zuwiderlaufen.
Aber die Sucht ...“
Ralph Treitz
Es gibt zu viele Förderprogramme
„Förderprogramme sind grundsätzlich gut und hilfreich. Aber es gibt zu viele, und das ist kontraproduktiv, weil der ‚Bedürftige‛ im Einzelfall das für ihn relevante Förderprogramm mangels Übersicht und Erkennbarkeit nicht entdeckt und also nicht beantragt.
Zu viele Förderprogramme überfordern auch diejenigen Menschen, die dazu beraten, und diejenigen, die prüfen und entscheiden müssen. Folgen wir dem Föderalismus: Nur Projekte mit bundesweiter Wirkung werden vom Bund gefördert, landesweite von den Ländern, lokale von den Kreisen oder Kommunen. Schnelligkeit und Einfachheit gewinnt!“
Jochen Backhaus
Habe den Eindruck, es dient der reinen Stimmenmaximierung
„Als Studentin der Volkswirtschaftslehre bringe ich aktuell wenig Verständnis für die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung auf. Ich habe den Eindruck, die aktuellen Transferzahlungen dienen viel weniger etablierten, ökonomischen Zielen und Konzepten als der reinen Stimmenmaximierung.
Der Staat sollte sich aus meiner Sicht, als 20-jährige Bürgerin, viel mehr durch öffentliche Investitionen um langfristiges Wachstum in unserer Volkswirtschaft kümmern.
Dass hier stattdessen ohne eine klare Vision subventioniert wird, macht mir ehrlich gesagt große Sorgen um die Zukunft der deutschen Wirtschaft.“
Lisa Piechatzek
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Geld für freiwillig Engagierte
„Aufgrund der sich abzeichnenden Sachzwänge, wesentlich mehr Mittel für Schuldzinsen, innere und äußere Sicherheit ausgeben zu müssen, wird es sinnvoll sein, die verbleibenden Fördermittel den freiwillig Engagierten hier in diesem Lande in allen sozialen Bereichen zukommen zu lassen. Stichwort Tafel, um nur ein Beispiel zu nennen. Denn der Bedarf wird steigen.
Indirekte Förderung durch Schleifen des deutschen Steuerrechts inklusive Reduzierung aller Ertragsteuern, damit wir im Investitions- und Standortranking wieder nach oben klettern!
Wir brauchen eine freiheitliche Investitionsdynamik und keine interventionistische und dirigistische Investitionsstrategie, die von Technokraten zentral gedacht und gesteuert wird.“
Holger Taubenheim
Kein Geld für Megakonzerne
„Ich finde, dass Förderprogramme in einigen Bereichen notwendig und sinnvoll sind.
Dazu gehören meiner Meinung nach zum Beispiel Kleinunternehmer, Start-ups ohne großes Startkapital und natürlich auch die Bevölkerung, die gearbeitet hat und nun vor finanziellen Schwierigkeiten steht, nicht jedoch Megakonzerne mit Milliardenumsätzen und -gewinnen.
Ganz wichtig ist jedoch, dass die Bundesregierung sich schnellstmöglich einen Überblick über die Ausgabensituation verschafft, wenn zeitgleich noch Geld gespart werden soll, niemand aber einen Kostenüberblick hat.
Das funktioniert so schließlich im Privaten auch nicht – vor allem können Privatpersonen nicht einfach neues Geld drucken und damit die Inflation beeinflussen.“
Marvin Dröge
Gießkannenpolitik
„Es wird nach parteipolitischem Kalkül subventioniert. Effektive Gießkannenpolitik.
Eine stringente Zielstellung sollte stattdessen verfolgt werden: Umwelt, Ausgleich sozialer Härten durch die Transformation, Förderung neuer Technologien. Und den klimafreundlichen Umbau der Logistik.“
Walther Schmidt-Lademann

Neue Einnahmequellen schaffen
„Viele Förderprogramme der Bundesregierung sind gut und sinnvoll. Sicherlich sollte man, wenn man sparen möchte, die einzelnen Programme noch einmal kritisch hinterfragen.
Viel einfacher wäre jedoch das Schaffen von neuen Einnahmequellen. Eine Reichensteuer, eine Erbschaftsteuer sowie eine Änderung der Besteuerung von Kapitalerträgen haben enormes Potenzial. Zum Beispiel könnten pro Bundesbürger 10.000 Euro pro Jahr an Kapitalerträgen steuerfrei sein, und jeder weitere Euro wird dem Einkommen zugerechnet und beeinflusst die Einkommensteuer.
In dieser ganzen Neiddebatte um Förderungen werden die unteren und mittleren Einkommensschichten gegeneinander ausgespielt, anstatt bei den hohen und sehr hohen Einkommen anzusetzen.“
Dominik Rau
Förderungen sind ein Markteingriff
„Förderungen sind ein Eingriff in den Wettbewerb und die Marktwirtschaft, die man sich ganz genau überlegen und vor allem zu Ende denken muss.
Förderungen sollten nur sehr selten und kurzfristig gewährt werden. Viel sinnvoller, effizienter und gerechter wäre es, Steuern zu senken und die Marktwirtschaft wirken zu lassen. Das bisher verwendete Geld für Planung, Verwaltung und Kontrolle von Förderungen kann dann eine zusätzliche Wirkung entfalten.“
Jürgen Maaßen
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Besser als Rüstungsausgaben
„Grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn der Bund trotz klammer Kassen kleine, kommunale Projekte unterstützt. Gewisse Förderprogramme durch den Bund sind sinnvoll und notwendig.
Diese Gelder sind in jedem Fall besser angelegt als Rüstungsausgaben. Im Übrigen kann man Haushaltslöcher nicht nur durch Sparen stopfen, sondern auch durch Optimieren von bestehenden beziehungsweise dem Erschließen neuer Einnahmequellen. Mir fällt da spontan die Vermögensteuer ein.“
Piero Kirchner
Auf Dauer ist das nicht tragbar
„Alle Subventionen und Förderprogramme – ob groß oder klein – müssen überprüft werden. Auch müssen nicht alle Lobbyverbände unterstützt werden. Förderprogramme sind dann sinnvoll, wenn sie die gesellschaftlichen Ziele und Anforderungen der Zukunft erfüllen.
Dies kann auf kommunaler oder auf der Ebene des Bundes sinnvoll sein. Das derzeitige ,Gießkannenprinzip‘, alle Lobbyisten glücklich zu machen und dabei den Überblick zu verlieren, führt zu Ansprüchen, die die Gesellschaft auf Dauer nicht erfüllen kann.“
Joachim Baumann
Subventionen radikal kürzen
„Es ist ein Armutszeugnis, dass niemand im Bund, nicht einmal das Finanzministerium weiß, wie viel Geld insgesamt pro Jahr für Subventionen ausgegeben und was damit erreicht wird.
Der Bund sollte den Wildwuchs radikal zurückschneiden und sich für eine klare Zielsetzung entscheiden. Subventionen fließen vorrangig in Start-ups für Zukunftstechnologien (KI, Elektronik, Prozess-Digitalisierung, Automatisierung); in die Exploration von seltenen Erden und wichtigen Rohstoffen sowie in Produkt-und Mobilitätsinnovationen.
Die unproduktive Konkurrenz der Ministerien (Wirtschaftsministerium, Verkehrsministerium und so weiter) wird zugunsten eines fachkompetent besetzten ‚Entwicklungsministeriums‛ beseitigt, um Kräfte und Ressourcen zu bündeln.“
Reiner Ruppmann



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