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Scholz' VorstoßBrauchen wir eine europäische Arbeitslosenversicherung? Ein Pro und Contra

Olaf Scholz will eine europäische Arbeitslosenversicherung. Wäre sie ein Mittel zur Krisenvorsorge oder nur reine Umverteilung? Ein Für und Wider.Thomas Sigmund und Ruth Berschens 17.10.2018 - 17:10 Uhr Artikel anhören

Der Bundesfinanzminister will eine europaweite Rückversicherung für die europäischen Arbeitslosenversicherungen schaffen.

Foto: dpa

Bundesfinanzminister Olaf Scholz möchte eine Rückversicherung für die europäischen Arbeitslosenversicherungen. EU-Korrespondentin Ruth Berschens meint, dass ein solcher Fonds helfen kann, schwere Krisen abzufedern und teure Euro-Rettungspakete zu vermeiden. Politikchef Thomas Sigmund hält dagegen: Deutschland kann bei der Vergemeinschaftung von Risiken nur verlieren.

Pro: Der Vorschlag ist ökonomisch vernünftig

Die Euro-Zone muss sich besser wappnen gegen schwere Wirtschaftskrisen und die damit einhergehende hohe Arbeitslosigkeit. Darüber ist sich die ökonomische Fachwelt weitgehend einig. Nun hat der Bundesfinanzminister dazu einen vernünftigen Vorschlag gemacht: Ein neuer EU-Arbeitslosenfonds soll mit Krediten aushelfen, wenn ein Mitgliedstaat mit explodierenden Erwerbslosenzahlen finanziell überfordert ist. In guten Zeiten sollen die Euro-Staaten diesen Fonds mit nationalen Beiträgen speisen, damit angeschlagene Staaten in konjunkturell schlechten Jahren in größter Not darauf zurückgreifen können.

Neu ist die Idee nicht. In den USA gibt es so eine Arbeitslosen-Rückversicherung schon lange. Trotz unterschiedlicher Versicherungssysteme in den einzelnen Bundesstaaten hat sich der gemeinsame Fonds in Amerika gut bewährt. Daher stellt sich die Frage, wieso das in Europa eigentlich nicht funktionieren soll?

Ein reflexartiges Nein zu europäischen Geldtöpfen gleich welcher Art reicht als Gegenargument nicht aus. Dass Deutschland bei so einem Fonds immer draufzahlen würde und andere Staaten immer profitieren würden, stimmt auch nicht. Sehr hohe Arbeitslosenzahlen hat es hierzulande noch zu Beginn des neuen Jahrtausends gegeben. Und es könnte wieder so schlimm kommen, wenn unsere Industrie die digitale Revolution nicht bewältigt.

Scholz hat in seinen Vorschlag zudem einige Sicherungen eingebaut, um Missbrauch vorzubeugen. Länder, die in den EU-Fonds einsteigen wollen, müssen Mindeststandards beim Arbeitsrecht erfüllen und eine funktionsfähige nationale Arbeitslosenversicherung vorweisen. Und alle aus dem EU-Fonds bezogenen Gelder sind innerhalb einer bestimmten Frist zurückzuerstatten. Säumigen Zahlern drohen Beitragserhöhungen. Neue europäische Finanztransfers durch die Hintertür will Scholz nämlich auch nicht.

Vertrauliches Papier

Das sind die Details zu Scholz' Plänen für eine europäische Arbeitslosenversicherung

Die Ausgestaltung des EU-Arbeitslosenfonds würde im Detail sicherlich noch schwierig. Insgesamt ist das Vorhaben aber sinnvoll: Der Fonds könnte helfen, von ökonomischen Schocks betroffene Euro-Staaten aufzufangen. So ließe sich verhindern, dass immer mehr Länder in den Abwärtssog geraten und milliardenschwere Euro-Rettungspakete beantragen müssen. In der letzten großen Euro-Schuldenkrise ist genau das passiert: Nach Griechenland musste die Euro-Zone auch Irland, Portugal, Spanien und Zypern vor dem Untergang bewahren, was den Euro selbst ins Wanken brachte. Gerade Deutschland müsste ein großes Interesse daran haben, dass sich so ein Flächenbrand nicht wiederholt.

Contra: Scholz will zum Zahlmeister werden

Der Bundesfinanzminister schien bislang ein ökonomisch vernünftiger Mensch zu sein. Selbst die Politik der schwarzen Null seines Vorgängers Wolfgang Schäuble setzte Olaf Scholz verlässlich fort. In seiner Zeit als Erster Bürgermeister Hamburgs war der SPD-Politiker ebenfalls nicht als Wirtschaftsschreck bekannt. Doch Scholz wandelt sich mehr und mehr von einem bürgerlichen Sozialdemokraten, der den Ruf hat, mit Geld umgehen zu können, zu einem Sozi, der sich ein schwungvolles linkes Profil zulegt.

Zuerst sein Vorschlag, den Mindestlohn auf zwölf Euro anzuheben. Dann wollte er das Rentenniveau bis zum Jahr 2040 garantieren. Jetzt prescht er mit dem nächsten Lieblingsthema der Linken vor: Er will eine europäische Arbeitslosenversicherung einführen. Im Klartext heißt das: Die deutschen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sprich: die Steuerzahler, sollen die Arbeitslosigkeit in Griechenland, Spanien und Italien finanzieren. Schäuble wurde als Zuchtmeister Europas beschimpft. Scholz will offenbar der Zahlmeister Europas werden.

Wenn er meint, die Länder würden die Gelder bei einem wirtschaftlichen Aufschwung zurückzahlen, glaubt er auch, dass Robert Habeck den nächsten James Bond spielt. Die Rücklage in der deutschen Arbeitslosenversicherung beträgt derzeit 24 Milliarden Euro. Gelder, für die Millionen von Beitragszahlern, darunter viele Facharbeiter, die mal SPD wählten, hart arbeiten, um gegen die nächste Wirtschaftskrise gewappnet zu sein.

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Glaubt denn Scholz wirklich, dass Deutschland aus dem geplanten Fördertopf Geld beantragt, bevor es nicht die eigenen Reserven aufgebraucht hat? Die Hand aufhalten werden wieder Länder wie Italien, die heute das Geld rausfeuern, als gäbe es kein Morgen. Es scheint, als wolle Scholz Regierungschef in Italien werden und nicht in Deutschland die Wahlen gewinnen.

Sein Vorstoß kommt ohnehin zur Unzeit, da er ein Konjunkturprogramm für die AfD ist, die wieder vor einer Transferunion warnen kann. In Brüssel wird auf die USA verwiesen. Dort gebe es ein gut funktionierendes Rückversicherungssystem. Doch das sind die Vereinigten Staaten.

Auch wenn viele in Brüssel von den Vereinigten Staaten von Europa träumen: Wir haben immer noch 27 Nationalstaaten mit 27 unterschiedlichen Systemen. Großbritannien, der 28. Staat, verabschiedet sich gerade, weil er die Vergemeinschaftung aller Risiken nicht mehr mittragen will. Wenn die EU überleben will, braucht sie mehr Wettbewerb und nicht mehr Sozialismus. In Griechenland, Spanien und Italien dürften die Champagnerkorken geknallt haben.

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