Morning Briefing: Pragmatismus: Schwarzarbeit ist ein Symptom der Krise
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte zuerst: Es gab in diesem Jahr mehr Schwarzarbeit in Deutschland. Jetzt die gute: Es gab in diesem Jahr mehr Schwarzarbeit in Deutschland. Ein Widerspruch? Keinesfalls.
Denn einerseits ist die Tatsache, dass die nicht angemeldete Beschäftigung neuen Berechnungen zufolge um 7,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr stieg, ein großes Problem. Schließlich entgehen dem Staat so wichtige Steuereinnahmen und den Sozialversicherungen wichtige Beiträge. Schwarzarbeit ist – um das an dieser Stelle rechtlich wasserdicht zu betonen – illegal. Andererseits sagt der Ökonom Friedrich Schneider: „Die stark gestiegene Schwarzarbeit hat in diesem Jahr auch viele Menschen vor dem Abgleiten in die Armut geschützt.“
Über 80 Prozent gäben das heimlich verdiente Geld außerdem sofort wieder aus, sagt er. Das habe die Konjunktur stabilisiert und einen Teil der Steuerverluste über die Mehrwertsteuer wieder kompensiert.
Insgesamt ist das Volumen der Schattenwirtschaft gegenüber dem Vorjahr um 22 Milliarden auf über 360 Milliarden Euro gestiegen. Das entspricht rund zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Ursprünglich war Ökonom Schneider davon ausgegangen, dass der Schwarzmarkt in diesem Jahr sogar schrumpfen werde. „Doch Energiekrise und hohe Inflationsraten haben dieses Ergebnis umgedreht“, sagt er. In Zeiten, in denen die Preise steigen und regulär nicht mehr genug Geld verdient wird, steigt auch der Anreiz, unangemeldet zu arbeiten.
Fazit: Schwarzarbeit ist eben ein Symptom der Krise.
Mit Krisen dürfte auch Elon Musk sich inzwischen etwas besser auskennen: Seine bislang knapp zwei Monate als Twitter-CEO waren von Chaos und Kontroversen geprägt. Jetzt will er seinen Chefposten bei der Social-Media-Plattform aufgeben – allerdings erst, wenn ein Nachfolger gefunden ist. In der Nacht twitterte Musk: „Ich werde als CEO zurücktreten, sobald ich jemanden finde, der töricht genug ist, den Job zu übernehmen! Danach werde ich nur noch die Software- und Server-Teams leiten.“
Twitter-Nutzer hatten sich zuvor in einer von Musk selbst eingeleiteten Umfrage mehrheitlich für dessen Rücktritt ausgesprochen. Es deutet derzeit jedoch wenig darauf hin, dass der 51-jährige Multimilliardär zügig einen geeigneten Kandidaten für den Top-Job findet.
Kennen Sie den Grinch? Die wuschelig grüne Figur aus Literatur und Spielfilmen gilt als Weihnachtshasser und klaut Kindern gerne ihre Geschenke. Die Rolle des Grinch am Aktienmarkt nimmt in diesem Jahr die japanische Notenbank ein. Die Bank of Japan begrub mit ihrer unerwarteten Entscheidung, einen stärkeren Anstieg der Zinsen für lang laufende Staatsanleihen zuzulassen, endgültig die Hoffnungen der Anleger auf eine Weihnachtsrally.

Die Kommentierung der Experten reicht von „Schock“ bis „Paukenschlag“, die Kurse an den Aktienmärkten rutschten in den Keller. Keiner der 47 vom Informationsdienst Bloomberg befragten Ökonomen hatte eine so baldige Neujustierung der Geldpolitik erwartet. In den vergangenen Wochen hatten bereits die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank einen restriktiveren Kurs in der Geldpolitik eingeschlagen und die Leitzinsen erhöht. Mit einem wirklich frohen Fest an der Börse rechnet daher kaum noch jemand.
Wer wie ich aus dem Ruhrgebiet stammt, weiß, was das Wort „Strukturwandel“ bedeutet. Das Ableben einer überholten Industrie, die eine ganze Region ernährt hat, ist oft schmerzhaft und mit vielen Entbehrungen verbunden. Doch im besten Fall können daraus auch neue Chancen entstehen.
So ergeht es derzeit auch dem sogenannten „Rust Belt“ in den USA. Der einst von der Schwerindustrie geprägte „Rostgürtel“ im Nordosten des Landes erlebt seit Jahren einen wirtschaftlichen Niedergang. Doch neue Gigafabriken zur Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien geben Teilen der Region jetzt Hoffnung auf einen Neuanfang. Exklusive Zahlen zeigen das Ausmaß der Investitionen in die Zukunftstechnologie. Seit dem Amtsantritt von Joe Biden flossen mehr als 54 Milliarden US-Dollar in neue Batterie-Projekte. Unsere US-Korrespondenten Annett Meiritz und Felix Holtermann haben den neuen Streifen der Hoffnung besucht.

Der US-Präsident will die Batterie-Produktion in den USA fördern.
Hustensaft? Ausverkauft. Fiebermittel? Ausverkauft. In den Apotheken sind die Lieferengpässe bei vielen Medikamenten mittlerweile deutlich spürbar. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will jetzt gegensteuern und verspricht, dass die Krankenkassen ab sofort mehr für solche Medikamente bezahlen. Sein Kalkül: So könne Deutschland als Absatzmarkt für Hersteller attraktiver werden.
Doch Experten bezweifeln, dass der Plan an der akuten Notlage etwas ändern kann. Mein Berliner Kollege, Handelsblatt-Gesundheitsexperte Jürgen Klöckner, schreibt, dass sich die Mangellage schon im Sommer angedeutet habe. Seine Sorge: „Wenn der Plan schiefgeht, steigen die Preise für Generika – und die Lieferengpässe bleiben trotzdem.“
Auch in China fehlen derzeit wichtige Medikamente. Seit die Regierung in Peking ihre Null-Covid-Strategie für nichtig erklärte und dem Virus im Land freien Lauf lässt, sind die Krankenhäuser überfüllt, Ärzte überfordert. Diesen Eindruck vermitteln zumindest Videos aus China – offiziell spricht die Regierung von nur 2700 Fällen. Die Dunkelziffer dürfte jedoch weitaus höher liegen. Nach Schätzungen von Experten könnte allein in Peking mindestens die Hälfte aller rund 22 Millionen Einwohner infiziert sein.
Für eine schnelle Verbreitung des Virus spricht auch, dass vielen Branchen in China Personal fehlt. Lieferdienste, Krankenhäuser und Apotheken kämpfen mit hohen Krankenständen. Auch deutsche Unternehmen sind betroffen. Aus der Ferne betrachtet wirkt es fast wie eine Trotzreaktion, dass die Kommunistische Partei nach Protesten der Bevölkerung die zuvor strengen Restriktionen so plötzlich aufhob. Nach dem Motto: „Ihr wollt Lockerungen? Die sollt ihr haben.“
Eine politische Entscheidung, die am Ende sehr viele Menschen das Leben kosten könnte.
Na, freuen Sie sich auch schon auf Ihr halbes Jahr Urlaub 2025? Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt darf der Urlaubsanspruch nicht mehr wie bisher am Ende des Jahres verfallen und auch nicht automatisch nach drei Jahren verjähren. Urlaubstage anzuhäufen wird in Zukunft also einfacher.
Mitarbeitende müssen rechtzeitig von Chef oder Chefin auf Resturlaubsansprüche hingewiesen und aufgefordert werden, Ferien zu machen. „Herr Meyer, erholen Sie sich gefälligst und kommen Sie mir so bald nicht mehr ins Büro!“, dieser Satz dürfte in Zukunft häufiger fallen.
Ich wünsche Ihnen in diesem Sinne, dass Sie immer etwas mir Ihrer freien Zeit anzufangen wissen.
Es grüßt Sie herzlich

Ihre
Teresa Stiens
Redakteurin Handelsblatt





