Morning Briefing: Wer sichert den Frieden, den es noch nicht gibt?

Friedenssicherer dringend gesucht
Liebe Leserinnen und Leser,
nach der kurzen Euphorie vom Montag und der Hoffnung auf einen Wendepunkt im Ukrainekrieg stellte sich gestern international eine gewisse Ernüchterung ein. Die Kriegsparteien an einen Tisch zu bringen, einen Waffenstillstand und ein Friedensabkommen zu verhandeln, das am Ende auch durchgesetzt werden kann, gestaltet sich außerordentlich schwierig.
Nun pflegt man im Journalismus zu sagen: Das Gegenteil wäre die Nachricht – schließlich ist die Gemengelage diesseits und jenseits des Atlantiks mehr als komplex. Entsprechend schienen im gestrigen Tageslicht betrachtet große Teile des erreichten „Deals“ erst einmal wieder fraglich. Nicht zuletzt, weil ein wichtiger Verhandlungspartner, Kriegsherr Wladimir Putin, noch keinerlei Bereitschaft signalisiert hat , auf den Westen zuzugehen.

Zudem herrscht bisher Rätselraten darüber, welche Sicherheitsgarantien die Ukraine im Fall eines Waffenstillstands erhalten und ob es eine Friedenstruppe geben sollte. Um die ukrainische Landgrenze zu Russland zu schützen, bräuchte es laut Experteneinschätzungen rund 50.000 bis 150.000 Soldatinnen und Soldaten.
Trump lehnte gestern den Vorschlag ab, US-Bodentruppen in die Ukraine zu schicken. Auch in Deutschland herrscht Skepsis, achtzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs wieder Soldaten nach Osteuropa zu entsenden. Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Henning Otte (CDU), sagte dem Handelsblatt: Für eine Beteiligung an einer möglichen Friedensmission in der Ukraine bestehe derzeit keine Grundlage.

Der Leiter des Handelsblattbüros in Brüssel, Jakob Hanke Vela, kritisiert in seinem Kommentar die Schmeicheleien der Europäer gegenüber dem US-Präsidenten. Sie gäben sich der Illusion hin, Trump auf ihre Seite ziehen zu können. Während Trump die Komplimente dankbar annähme, zwinge er Europa inhaltlich immer wieder in die Knie. Mein Kollege schreibt:
Schritt für Schritt lösten sich die roten Linien der Europäer unter dem Druck aus Washington und Moskau auf. Deshalb sei der Montag im Weißen Haus nicht nur ein diplomatisches Ritual gewesen, sondern eine Demütigung.
Ein halber Abschied bei N26

Bei der Neobank N26 vollzieht sich ein Wechsel an der Spitze. Valentin Stalf, Mitgründer und Co-CEO, zieht sich aus der operativen Führung zurück und reagiert somit auf den Druck der Finanzaufsichtsbehörde Bafin. Sein Co-Gründer Maximilian Tayenthal hingegen darf vorerst bleiben.
Im Interview mit meinen Kollegen Dennis Schwarz und Andreas Kröner spricht Stalf über seinen Abgang und erklärt, die Kritik der Bafin habe ihn in den vergangenen Monaten noch mal verstärkt zum Nachdenken gebracht. Der N26-Gründer gibt zu, dass das ganze Unternehmen Compliance und regulatorische Prozesse im Anfang unterschätzt habe. Er weist aber auch darauf hin, dass die Bank mittlerweile profitabel arbeite und den Fokus auf ein „nachhaltiges Unternehmenswachstum“ lege.
Für Handelsblatt-Finanzreporterin Yasmin Osman ist der Wechsel Stalfs von der operativen Ebene in den Aufsichtsrat nicht genug. Für einen Neuanfang bei N26 brauche es mehr: Beide Gründer müssten sich aus dem operativen Geschäft zurückziehen. Denn die Probleme, mit denen N26 zu kämpfen habe, hätten sie gemeinsam zu verantworten: schwere Defizite im Risikomanagement der Bank, die unzureichende Expertise im Bankgeschäft, die fehlende Qualität und hohe Fluktuation im Management und eine Unternehmenskultur, in der die beiden Gründer alles dominierten.
Jobrad will mehr Lobby für Fahrradfahrer

Vor gut 15 Jahren fragte sich Ulrich Prediger, wieso es eigentlich möglich war, Autos über den Arbeitgeber zu leasen, Fahrräder aber nicht. Aus der Frage entwickelte sich eine Idee und aus der Idee ein Unternehmen. Jobrad macht mittlerweile 1,4 Milliarden Euro Umsatz und hat rund eine Million Fahrräder im Bestand. Doch der Wettbewerb wird härter, fast 40 Unternehmen bieten heute Dienstradleasing an. Nicht nur andere Fahrradanbieter, sondern auch E-Autos sind eine Konkurrenz. Die Autolobby mache einen exzellenten Job – allerdings für das aus seiner Sicht falsche Produkt, sagt Prediger im Handelsblatt-Interview. Sein Ziel sei, genauso viel Aufmerksamkeit zu erzeugen und die Politik von den Vorteilen des Fahrradfahrens zu überzeugen.
Die leeren Kassen der Krankenkassen

Das Konzept einer Krankenkasse ist im Kern eine riskante Wette. Sie beruht auf der Annahme, dass Menschen im Durchschnitt mehr Geld einzahlen, als sie in Anspruch nehmen – nur dann rutscht die Kasse nicht dauerhaft ins Minus. Doch momentan steht diese Rechnung auf der Kippe. Der Bundesrechnungshof schlägt Alarm und Jürgen Pimpertz vom Institut der deutschen Wirtschaft warnt:
Die Grundlagenwette droht, nicht mehr aufzugehen. Rücklagen reichen kaum noch, die Ausgaben steigen so stark wie seit 30 Jahren nicht mehr, und Schulden werden nicht abgebaut, sondern in die Zukunft verschoben. Das zentrale Konto der Krankenkassen, der Gesundheitsfonds, leert sich. Euer Ernst? Werden sich die Kassen denken, wenn sie Kritik von der Politik an dieser Entwicklung hören. Schließlich war es die Politik selbst, die die Kassen vor einigen Jahren dazu zwang, ihre Reserven abzubauen.
Luxusgut CSU in der Bundesregierung

Auf Bundesebene scheint zu gelten: Eine Regierungsbeteiligung der CSU muss man sich leisten können. Die Wirtschaftsweisen listen in ihrem Frühjahrsgutachten gleich mehrere Lieblingsprojekte der Bayern auf, die für sie vor allem „konsumtiven Charakter“ haben: die Mütterrente (4,9 Milliarden Euro jährlich), die Erhöhung der Subventionierung des Agrardiesels (0,5 Milliarden Euro jährlich) sowie die dauerhafte Einführung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für die Gastronomie (4,3 Milliarden Euro jährlich). Meine Berliner Kollegen Jan Hildebrand und Martin Greive haben analysiert: Schon in früheren Bundesregierungen haben die Christsozialen Vorhaben durchgesetzt, die für den Staat teuer sind – und nach Einschätzung vieler Ökonomen fragwürdig.
Autofeatures nur im Abo

Zum Abschluss werfen wir noch einen Blick auf ein merkwürdiges Abomodell der Autobranche. Wer sich in Großbritannien einen Volkswagen kauft, kann gegen eine monatliche Gebühr mehr Pferdestärken an seinem Auto freischalten. Die Elektromodelle ID.3 Pro und Pro S sind mit 228 PS ausgestattet. VW kappt die Leistung allerdings nach dem ersten Monat bei 201 PS – wer den Rest nutzen will, muss zahlen.






Ich hoffe sehr, dass sich dieser Ansatz nicht durchsetzt. Am Ende fällt den Autobauern noch ein, Hupe, Licht oder Bremse nur gegen eine zusätzliche Gebühr freizuschalten.
Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, an dem Ihnen alles, was Sie brauchen, zur Verfügung steht.
Es grüßt Sie herzlich Ihre
Teresa Stiens





