Gesundheitspolitik Krankenkassen bekommen vorerst keine neuen Milliarden – Warnung vor höheren Beiträgen

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).
Berlin Die gesetzlichen Krankenkassen fühlen sich wegen ausbleibender Zusagen für einen milliardenschweren Zuschuss von der Bundesregierung im Stich gelassen – und warnen vor höheren Beiträgen für die Versicherten. Hintergrund ist die dramatische Finanzlage der Versicherungen, über die ein Treffen von Kassenchefs und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am heutigen Mittwoch Klarheit schaffen sollte.
Um höhere Beiträge für die Versicherten abzuwenden, forderten die Kassen einen Zuschuss von sieben Milliarden Euro von Spahn – zusätzlich zu den Mitte Mai bereits beschlossenen sieben Milliarden Euro und dem ohnehin feststehenden Bundeszuschuss von 14,5 Milliarden Euro. Damit würden die Steuermittel für den Gesundheitsfonds im kommenden Jahr auf 28,5 Milliarden Euro ansteigen.
Die Summe erklären die Kassen vor allem mit teuren Gesetzen aus den vergangenen Jahren, die nun zunehmend ihre Finanzwirkung entfalten. Die Milliardenbeträge seien nötig, um den Beitragssatz für Versicherte auf dem Niveau von 1,3 Prozent einzufrieren. Darauf hatten sich Spahn und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) im Mai geeinigt, um die Sozialgarantie einzuhalten und eine höhere Belastung für Versicherte abzuwenden. Die Sozialversicherungsbeiträge liegen derzeit bei 39,95 Prozent und sollen die Grenze von 40 Prozent nicht überschreiten.
Das Treffen mit dem Gesundheitsminister sollte eigentlich dazu dienen, sich auf einen Milliardenzuschuss zu einigen, so die Erwartung der Kassenseite. Stattdessen aber wurde die Entscheidung auf Mitte Oktober des Jahres vertagt. „Bisher galt die politische Zusage, rechtzeitig im Spätsommer die Finanzsituation für das kommende Jahr zu klären“, teilte der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) am Mittwochabend mit. Diese Zusage sei nicht eingehalten worden.
„Statt wie angekündigt in der Sache über die notwendige Höhe zu sprechen, hat der Minister mitgeteilt, dass die notwendigen Entscheidungen erst Mitte Oktober 2021 getroffen werden sollen“, erklärte der Verband. Zwar soll Spahn betont haben, dass die notwendigen Finanzmittel kommen sollen und dass die Sozialgarantie der Bundesregierung gelte.
Zusage zur Sozialgarantie
„Angesichts der erwartbar schwierigen Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl ist jedoch völlig offen, wie und wann dann tatsächlich die zur Stabilisierung der gesetzlichen Krankenkassen notwendigen Entscheidungen getroffen werden“, teilte der GKV-SV weiter mit. „Die Sozialgarantie der Bundesregierung für das kommende Jahr ist ausgesprochen, aber die dafür notwendige Entscheidung wird auf die Zeit nach der Wahl verschoben.“
Auch die Innungskrankenkassen teilten mit, dass das Verfahren die Kassen in Ungewissheit ließe. „Dass der Minister nun von dem vorab festgelegten Weg abweicht, ist äußerst enttäuschend, entlässt die Politik aber nicht aus ihrer Verantwortung“, heißt es.
Es „herrscht blankes Entsetzen über den Ausgang des Treffens“, fasst ein Krankenkassenchef die Lage zusammen. Die Sorge: Spahn könnte das Argument nur vorgeschoben haben, um die Lösung des Problems auf die Zeit nach der Wahl zu schieben – um es damit möglicherweise seinem Nachfolger zu überlassen.
Die Finanzlage der Kassen sorgt seit Monaten für Ärger in der Großen Koalition. Finanzminister Scholz soll unmissverständlich mitgeteilt haben, dass er keinen weiteren Cent mehr aus Steuermitteln beitragen will. Angesichts dessen herrscht bei den Kassen zumindest Erleichterung über die Zusage des Gesundheitsministers zu einem durchschnittlichen Beitragssatz von 1,3 Prozent. „Nun muss Wort gehalten werden“, so die Forderung.
Kritik kommt auch von der Opposition. „Mit dieser Entscheidung nimmt die Große Koalition billigend in Kauf, dass auf die Versicherten ein erheblicher Beitragsanstieg um 0,6 Prozentpunkte zukommt“, sagte die FDP-Gesundheitsexpertin, Christine Aschenberg-Dugnus, dem Handelsblatt. Die Sozialgarantie könne so nicht mehr eingehalten werden. „Die Leistungsausweitungspolitik der letzten Jahre macht sich jetzt bemerkbar.“
Auch die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink hält es für unausweichlich, dass die Kassen mit weiteren Milliarden gestützt werden müssen. Das werde aber unmittelbar nach der Wahl aufgrund des „desaströsen Finanzgebarens“ des Ministers nötig sein, sagte sie dem Handelsblatt. Die Unions-Versprechen von einer Sozialgarantie, einer Schuldenbremse und dem Verzicht auf Steuererhöhungen seien in dieser Situation „unseriös“.
Das Bundesgesundheitsministerium wies auf Anfrage darauf hin, dass gesetzlich festgeschrieben ist, den Zusatzbeitrag auf 1,3 Prozent stabil zu halten. „Ob wir dafür die Krankenkassen zusätzlich unterstützen müssen, wird Anfang Oktober entschieden“, teilte ein Sprecher mit. „Dann erst ist die Ausgabenentwicklung abzusehen.“
Klarheit über die Kassenfinanzen muss nun erst mal der Schätzerkreis schaffen, der die Einnahme- und Ausgabeentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung für das kommende Jahr prognostiziert. Als Grundlage könnte das Gremium den geltenden Beitragssatz nehmen und auf dessen Basis den nötigen Zuschuss berechnen, den der Bund dann aus Steuermitteln drauflegen könnte.
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Ich kann nicht erkennen woher die Finanzlöcher der Kassen kommen. Die Covid Pandemie kann es nicht sein wenn man sich die Zahlen anschaut. Die Krankenhaus Belegung ist rückläufig. Vieleicht sollt man endlich unnötige Leistungen wie Massage, etc. einmal unter die Lupe nehmen.Auch die Leistungen für "Migranten" müssen von denen getragen werden die diese Leute in unser System bringen wollen.