Klimaneutralität Wasserstoffrat skizziert Weg zu CO2-freier Luftfahrt

Der Flugverkehr verursacht 2,5 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen.
Berlin Der Nationale Wasserstoffrat setzt auf schnelle Fortschritte auf dem Weg zum klimaneutralen Flugverkehr. Das Gremium beschloss am Freitag eine entsprechende Stellungnahme, die als Handlungsempfehlung für die Politik zu betrachten ist. Der Wasserstoffrat besteht aus 25 Expertinnen und Experten, die die Bundesregierung bei der Umsetzung der 2020 beschlossenen „Nationalen Wasserstoffstrategie“ beraten.
„Die Vision für die Zukunft der Luftfahrt ist das emissionsfreie Flugzeug, das sowohl im Flug- als auch im Bodenbetrieb keine Schadstoffe emittiert“, heißt es in der Stellungnahme, die dem Handelsblatt vorliegt. Dieses ambitionierte Ziel erfordere „substanzielle Forschungen und langfristige Entwicklungen in den Bereichen nachhaltige Energieträger, disruptive Flugzeugkonzepte und Komponenten sowie alternative Antriebskonzepte“, formuliert der Wasserstoffrat.
Im Mittelpunkt der Bemühungen steht nach Überzeugung des Beratungsgremiums klimaneutraler Wasserstoff. Er ist Ausgangsbasis für die Herstellung klimaneutraler Kraftstoffe.
Klimaneutraler Wasserstoff kann beispielsweise mittels Strom aus erneuerbaren Energien durch Elektrolyse hergestellt werden (nicht biogener Wasserstoff); er kann aber auch aus Biomethan hergestellt werden, das beispielsweise auf der Basis von Pflanzenabfällen hergestellt wird (biogener Wasserstoff).
Flugzeuge könnten „kurzfristig verstärkt biogene Flugkraftstoffe auf Abfall- und Reststoffbasis und langfristig strombasiertes Kerosin einsetzen“, heißt es in der Stellungnahme des Gremiums. Der große Vorteil dieser Lösung: Sie erfordert keine grundsätzlichen Änderungen am Triebwerk. In der Stellungnahme des Wasserstoffrates heißt es, solche Lösungen könnten die CO2-Emissionen der betreffenden Flugzeuge „um mehr als 50 Prozent reduzieren“.
Der Einstieg in solche Lösungen wird aktuell durch die Umsetzung der zweiten „Renewable Energy Directive“ (RED II) der EU in nationales Recht geebnet. Die Umsetzung der europäischen Richtlinie wird von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) vorangetrieben. Schulzes Gesetzentwurf sieht vor, im Flugverkehr bis 2030 eine Quote von zwei Prozent für klimaneutrales Kerosin zu erreichen.
Viele Akteure halten dieses Ziel jedoch für unzureichend ambitioniert. So hat der Bundesrat in einer Stellungnahme Ende März gefordert, „die Gesamt-Quote für nachhaltiges Kerosin von zwei Prozent auf mindestens fünf Prozent im Jahr 2030“ zu erhöhen. Nach Auffassung des Bundesrates sollten dabei zwei Prozent des nachhaltigen Kerosins auf der Basis von nicht biogenem Wasserstoff hergestellt werden, drei Prozent auf Basis von biogenem Wasserstoff.
Klimaneutrales Kerosin ist teuer
Auch der Wasserstoffrat setzt sich für ein möglichst hohes Niveau ein. Hindernisse für die Beimischung von klimaneutralem Kerosin seien derzeit die fehlenden Produktionskapazitäten und die hohen Herstellungskosten, heißt es in der Stellungnahme. Die Weiterentwicklung von Triebwerken ermögliche in Verbindung mit nachhaltigen Biokraftstoffen sowie synthetischen Kraftstoffen „bereits kurzfristig einen signifikant emissionsreduzierten Luftverkehr“.
Unter Fachleuten besteht Einigkeit, dass der Flugverkehr seine CO2-Emissionen in den kommenden Jahren drastisch senken muss, um eine Zukunft zu haben. Die Luftfahrt ist aktuell für rund 2,5 Prozent der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen verantwortlich.
Die Flugzeughersteller arbeiten unter Hochdruck an Konzepten zur CO2-Vermeidung, sind dabei aber auf die Politik angewiesen. Das betrifft einerseits Unterstützung bei Forschung und Entwicklung. Andererseits können gesetzliche Quotenregelungen für klimaneutrales Kerosin einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, den Markthochlauf für Produktionskapazitäten klimaneutraler Kraftstoffe zu erreichen.
Wasserstoffantrieb nicht für Langstreckenflugzeuge geeignet
Einen weiteren Schritt sieht der Wasserstoffrat darin, Wasserstoff direkt im Flugzeug einzusetzen. Das erfordert jedoch erhebliche Änderungen der Flugzeugarchitektur. Neueste Schätzungen zeigten, „dass die Wasserstoff-Direktverbrennung die Klimaauswirkungen im Flug um 50 bis 75 Prozent reduzieren könnte und ein mit den Turbinen gekoppelter Brennstoffzellenantrieb weitere Effizienzgewinne bringt“, heißt es in dem Papier.
Wegen der geringeren Energiedichte des Wasserstoffs ist nach Überzeugung des Gremiums davon auszugehen, dass insbesondere auf längeren Mittelstreckenflügen und auf Langstreckenflügen nachhaltige Biokraftstoffe und synthetische Kraftstoffe zum Einsatz kommen.
Der Antrieb mit reinem Wasserstoff eigne sich am besten für Regional- und Kurzstrecken-Flugzeuge, wenig für die Langstrecke. Insbesondere die Größe der Wasserstofftanks, die damit verbundene Flugzeugarchitektur und der daraus resultierende höhere Energiebedarf würden zu „deutlich höheren Kosten pro Passagier führen“. Allerdings könnten neue Flugzeugkonstruktionen „völlig neue Optionen eröffnen, doch von der Inbetriebnahme eines solchen Flugzeugs ist man vermutlich noch zwei bis drei Jahrzehnte entfernt“, heißt es in der Stellungnahme des Wasserstoffrates.
Langfristiger europaweiter Plan ist notwendig
Der Wasserstoffrat hält „mutige Schritte von Forschung, Industrie und Politik“ für erforderlich, um einen Pfad zur Dekarbonisierung in der Luftfahrt zu ebnen. Die Branche müsse „heute den Weg der Kommerzialisierung einschlagen, denn die Entwicklung und Zertifizierung von Flugzeugen dauert mehr als zehn Jahre und eine substanzielle Flottenerneuerung mindestens weitere zehn Jahre“.
Der Wasserstoffrat fordert daher die Entwicklung „eines langfristigen, politisch europaweit abgesicherten Planes“ zur Dekarbonisierung des Sektors. Dieser Plan müsse in die Förderung „eines möglichst frühzeitig beschlossenen Demonstrationsprogramms und in die Durchführung eines Pilotprojekts münden“.
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