Landespolitik Erste „Regierende“ in Berlin: Franziska Giffey führt den weiblichsten Senat aller Zeiten

Die neue Regierende Bürgermeisterin hat eine steile politische Karriere hinter sich.
Berlin Franziska Giffey hat es geschafft: Ein halbes Jahr nach dem Rückzug aus der Bundespolitik ist die 43-Jährige nun Regierende Bürgermeisterin von Berlin – als erste Frau in diesem Amt. Und schon am ersten Tag betritt sie wieder die Bundesbühne, wenn sie mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) und NRW-Landeschef Hendrik Wüst (CDU) den neuen Anti-Omikron-Kurs verkündet.
Ihr Amt als Bundesfamilienministerin musste die Sozialdemokratin erst im Mai dieses Jahres wegen einer Plagiatsaffäre aufgeben, nur wenige Wochen später nahm ihr die FU Berlin tatsächlich den Doktortitel ab. Doch zu diesem Zeitpunkt hatten die Berliner Genossen ihre Parteichefin und frühere Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln schon zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl gekürt.
Ihr blasser Vorgänger Michael Müller war nicht wieder angetreten, er wechselte in den Bundestag. Beim Urnengang, der im September zeitgleich mit der Bundestagswahl stattfand und bundesweit wegen eines organisatorischen Desasters Schlagzeilen machte, holte sie 21,4 Prozent für die SPD – und damit das historisch schlechteste Ergebnis der Berliner Sozialdemokraten. Dennoch besetzte sie damit den ersten Platz vor Grünen, CDU, Linken, AfD und FDP.
In der Bundespolitik machte sich die Brandenburgerin, die bei Fürstenwalde aufwuchs, vor allem mit dem „Gute-Kita-Gesetz“ einen Namen. Und sie scheut keine unbequemen Positionen: So plädiert sie nicht nur für eine Kita-Pflicht ab dem dritten Geburtstag, sondern forderte auch Bußgelder für Familien, die ihre Kinder aus kulturellen oder religiösen Gründen nicht am Schwimmunterreicht teilnehmen lassen. Sie begrüßte in diesem Zusammenhang den Kauf von Burkinis durch ein Gymnasium in Herne für muslimische Schülerinnen.
Im Berliner Wahlkampf forderte sie im Sommer die Abschiebung schwerer Straftäter auch nach Syrien und Afghanistan – obwohl dies einem Beschluss ihrer Partei widerspricht.
Der Senat ist so weiblich wie nie
In der Hauptstadt setzt sie nun die seit 2016 regierende Koalition mit Grünen und Linkspartei fort. Mit vielen neuen Senatorinnen: Mit sieben Frauen und vier Männern ist der Senat so weiblich wie noch nie. Das Regierungsprogramm reicht vom Ausbau des ÖPNV über mehr Klimaschutz und 20.000 neue Wohnungen pro Jahr bis hin zu bürgerfreundlicherer Verwaltung und mehr Videoüberwachung von Orten mit hoher Kriminalität.
Schwierig wird der Umgang mit einem Volksentscheid, in dem parallel zur Wahl fast 58 Prozent der Wähler für eine Enteignung von Wohnungskonzernen mit mehr als 3000 Wohnungen gestimmt hatten – in der Hoffnung, dass dies den Anstieg der Mieten stoppt. Rot-Grün-Rot spielt auf Zeit: In einem Jahr soll eine Expertenkommission Vorschläge zur Umsetzung machen.
Franziska Giffey als Regierende Bürgermeisterin vereidigt
Die SPD ist gegen Enteignungen, die Linke dafür, auch die Grünen können sie sich „als letztes Mittel“ vorstellen. Mit einem Enteignungsgesetz würde Berlin nach dem im April vor dem Bundesverfassungsgericht gescheiterten Mietendeckel erneut juristisches und politisches Neuland betreten.
Ursprünglich wollte Franziska Giffey Lehrerin werden – davon rieten ihr die Ärzte wegen eines Kehlkopfproblems allerdings dringend ab. Sie sattelte um und wurde Diplom-Verwaltungswirtin an der FH. Ihren Aufstieg in der Politik hat die leise Stimme derweil nicht behindert.
Nun ist sie die erste „Regierende“, wie es in Berlin liebevoll heißt. Aber sie hat dennoch eine Vorgängerin: In den Jahren 1947/1948 amtierte die SPD-Politikerin Louise Schroeder kommissarisch als Oberbürgermeisterin im Nachkriegsberlin. Sie wurde 1949 sogar als mögliche Kandidatin der SPD für das Amt des Bundespräsidenten gegen Theodor Heuss gehandelt, konnte sich aber nicht gegen ihren Parteikollegen Kurt Schumacher durchsetzen.
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Bei der Doktorarbeit ein wenig mauscheln dann als Minister zurück treten und als Belohnung wird man Bürgermeister von Berlin. Das ist Politik und Demokratie in Deutschland und dann wird sich über Politikverdrossenheit gewundert. Aber was interessiert das schon die Politiker, Hauptsache einen Platz am Fleischtopf.