Internationale Steuerpolitik Die globale Mindeststeuer rückt näher

Der Vorstoß des Präsidenten fügt sich in die neue Steuerstrategie der US-Regierung ein.
Berlin, Washington Vor wenigen Tagen sorgten US-Konzerne für deutlich negative Schlagzeilen. 55 hochprofitable Unternehmen haben laut einer Studie 2020 zwar 40 Milliarden Dollar Gewinn gemacht, aufgrund von Steuerschlupflöchern aber keinen Cent Körperschaftsteuer an den US-Bundesstaat abgeführt.
Darunter sind namhafte Firmen wie Fedex oder Nike. Mit dieser zweifelhaften Praxis soll nun bald Schluss sein.
Die US-Regierung von Joe Biden bringt neuen Schwung in die Gespräche um die schon länger geplante, aber auf Eis gelegte globale Mindeststeuer für Unternehmen– und überholt in ihrem Feuereifer fast schon die Europäer.
Ein globaler Mindeststeuersatz für international operierende Unternehmen müsse das „30-jährige Rennen um die niedrigsten Sätze endlich beenden“, forderte US-Finanzministerin Janet Yellen zum Auftakt der Frühjahrstreffen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) in dieser Woche. Jahrzehntelang sei „diskutiert, aber nie etwas umgesetzt worden“, so Yellen. Damit müsse jetzt Schluss sein.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), der sich seit Langem vehement für eine globale Mindestbesteuerung einsetzt, nahm den Ball seiner Kollegin dankend auf. „Die Mindestbesteuerung wird jetzt realistisch. Die Unterstützung der USA gibt der Initiative ganz entscheidenden Rückenwind.“
Mit Regierungswechsel kommt Mindeststeuer erneut ins Rollen
Immer wieder sorgten in den vergangenen Jahren hochprofitable Konzerne für Schlagzeilen, weil sie über legale Steuerschlupflöcher Steuern umgehen und so laut Studien weltweit Hunderte Milliarden an Steuern im Jahr vermeiden.
2017 unterzeichneten Dutzende von Staaten daher das Steuerabkommen BEPS, das das Verlagern von Unternehmensgewinnen in Niedrigsteuerländer erschweren soll. Die Pläne für eine globale Mindeststeuer gehen nun noch einen Schritt weiter, sie schreiben weltweit eine Untergrenze für den Steuersatz für Unternehmen fest.
Auf dem IWF-Treffen diese Woche wollen die Finanzminister das Projekt weiter vorantreiben. Nach Handelsblatt-Informationen aus Verhandlungskreisen ist das Ziel formuliert worden, auf dem G20-Finanzministertreffen im Juli eine grundsätzliche Einigung zu verkünden. Man werde „alles dafür tun, dass wir eine Einigung im Sommer erreichen“, sagte auch Scholz.
Ankündigungen, die Steuer bald auf den Weg zu bringen, hat es vom deutschen Finanzminister zwar schon einige gegeben. Doch dieses Mal könnte er recht behalten. Der Grund dafür ist der Regierungswechsel in den USA.
Unter Ex-Präsident Donald Trump hatten die USA eine globale Mindeststeuer zwar grundsätzlich unterstützt, de facto aber auf Eis gelegt. Der Grund: Mit der Mindeststeuer soll zugleich eine globale Steuer auf digitale Geschäfte beschlossen werden, von der besonders US-Tech-Konzerne wie Apple, Amazon oder Google betroffen wären.
US-Finanzministerin für Mindeststeuersatz von bis zu 21 Prozent
Die USA sahen die Steuer als Angriff auf ihre Unternehmen und schlugen im vergangenen Jahr urplötzlich vor, Firmen ein Wahlrecht einzuräumen, ob sie unter die Digitalsteuer fallen wollen. Damit war das ursprüngliche Konzept für die Besteuerung digitaler Geschäfte durchlöchert – und damit auch eine Einigung bei der Mindeststeuer dahin.
Doch die neue Regierung unter US-Präsident Biden schlägt ganz andere Töne an. Schon im Februar räumte seine Finanzministerin auf dem G20-Treffen die Idee ihres Vorgängers für ein solches Wahlrecht ab. Und jetzt geht Yellen noch weiter als manche ihrer europäischen Kollegen: Bislang stand ein Mindeststeuersatz für Unternehmen von 15 Prozent im Raum. Yellen kann sich aber auch gut 21 Prozent vorstellen.
Der Vorstoß fügt sich in die neue Steuerstrategie der US-Regierung ein. So hat das Weiße Haus angekündigt, die Steuersätze für Unternehmen deutlich zu erhöhen und parallel die ausländischen Gewinne von US-Konzernen stärker zu besteuern. Konkret will Präsident Biden den Körperschaftsteuersatz für US-Konzerne auf 28 Prozent hochsetzen. Sein Vorgänger Trump hatte ihn von 35 Prozent auf derzeit 21 Prozent gesenkt.
Außerdem ist eine Mindeststeuer von 21 Prozent für Tochtergesellschaften von US-Unternehmen geplant, die im Ausland ihr Geschäft machen. Derzeit liegt dieser Satz bei 10,5 Prozent. Mit den höheren Steuersätzen wären die USA wieder wie früher eines der teuersten Länder für Investoren.
Die Demokraten hatten schon im Wahlkampf angekündigt, die Steuern für Unternehmen zu erhöhen, insbesondere für Tech-Konzerne. Dahinter steckt jedoch nicht nur der Ansatz, für mehr Verteilungsgerechtigkeit zu sorgen, sondern auch ein pekuniärer Grund: Die US-Regierung braucht dringend höhere Einnahmen für ihre Großoffensive bei den Ausgaben.
Der Multilateralismus ist zurück
So plant Biden ein Infrastrukturpaket in Höhe von 2,3 Billionen Dollar. Die Reform soll nicht nur marode Straßen und Brücken sanieren, sondern die USA auch endlich auf den Weg zu einer grünen Energiewende führen. Da insbesondere auch die US-Konzerne von all diesen Investitionen profitieren würden, sollen sie das Investitionsprogramm maßgeblich mitbezahlen.
Eine globale Mindeststeuer, so Yellen, würde außerdem dazu beitragen, dass US-Konzerne im Ausland keinen signifikanten Nachteil gegenüber Mitbewerbern hätten, wenn diese gleich besteuert würden. Das Investitionspaket und die damit verbundenen Steuerpläne müssen allerdings vom US-Kongress beschlossen werden, in dem die Demokraten nur sehr knappe Mehrheiten halten. Von den Republikanern gibt es geschlossene Ablehnung, und selbst im Lager der Demokraten kritisieren einige moderate Vertreter die von Biden vorgeschlagenen Steuersätze.
Yellen bettete ihre Absage an einen Unterbietungswettbewerb bei Unternehmensteuern allerdings in ein Plädoyer für internationale Zusammenarbeit ein. Auch aus diesem Grund spricht einiges dafür, dass ein Durchbruch gelingen könnte.
Es sei zwar nicht so, dass sich nach der Abwahl Trumps „alle an den Händen halten und wieder gemeinsam töpfern“, wie es ein Unterhändler ausdrückt. Aber alle wollten auch eine Einigung, um ein Zeichen zu setzen: Der Multilateralismus, die über Jahrzehnte eingeübte Form der internationalen Zusammenarbeit, ist nach dem Ende Trumps wieder zurück.
Würde ein Steuerabkommen gelingen, seien auch endlich die Handelssanktionen vom Tisch, mit denen die USA einige EU-Staaten wie Frankreich bedrohen, weil diese auf eigene Faust eine nationale Digitalsteuer einführen wollen, heißt es in Verhandlungskreisen. Und dann könnte man sich endlich anderen Themen wie der Bekämpfung des Klimawandels zuwenden.
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