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Japan Corona: Epidemiologe fordert Abbruch der Olympischen Spiele

Japan verzeichnet ausgerechnet während der Olympischen Spiele immer neue Corona-Rekorde. Nun wächst die Angst vor dem Kollaps des Gesundheitssystems.
30.07.2021 - 17:51 Uhr Kommentieren
Die Austragung der Olympischen Spiele in Japan ist umstritten. Quelle: dpa
Proteste in Tokio

Die Austragung der Olympischen Spiele in Japan ist umstritten.

(Foto: dpa)

Tokio Japan schwankt zwischen olympischem Medaillenrausch und Virenangst. Während der Gastgeber der Olympischen Spiele am Freitag seine 17. Goldmedaille feierte, dehnte Regierungschef Yoshihide Suga den Corona-Notstand aus. Künftig sollen nicht nur in der Hauptstadt Tokio Restaurants früh am Abend schließen und keinen Alkohol mehr ausschenken – auch in den angrenzenden Präfekturen Kanagawa, Chiba und Saitama sowie in der Metropole Osaka gelten wieder härtere Bestimmungen.

Shigeru Omi, der Vorsitzende von Japans Corona-Expertenrat, begründete den Schritt mit deutlichen Worten. „Wir stehen am entscheidenden Punkt der Pandemie“, sagte er auf einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz. „Das Feuer lodert.“

Auslöser der Warnung ist die Delta-Variante des Sars-Cov2-Virus, die die Infektionszahlen auf immer neue Rekordwerte treibt. Wie zuvor schon Thailand, Südkorea und Vietnam erlebt auch Japan derzeit, dass diese Pandemie noch längst nicht zu Ende ist.

„Die Infektion breitet sich in einem noch nie da gewesenen Tempo aus, auch im Großraum Tokio und in der Region Osaka“, sagt Suga. Die Regierung sehe sich dadurch gezwungen, den Corona-Notstand auszuweiten.

Am Freitag wurde den zweiten Tag in Folge die Marke von 10.000 Neuinfektionen übertroffen. Der bisherige Höchstwert lag bei knapp über 8000 Fällen in der dritten Welle Anfang des Jahres.

Angst um das Gesundheitssystem

Im Vergleich zu Europa mögen die Werte niedrig erscheinen. Aber in Japan, wo Covid-19-Patienten lediglich in öffentlichen Krankenhäusern behandelt werden können, wächst die Angst, dass sich ein Zusammenbruch des Gesundheitssystems wiederholt.

Bei der vierten Welle im Frühjahr starben in der Metropole Osaka bereits mehrere Dutzend Menschen in ihren Wohnungen – sie hatten vergeblich auf einen Platz im Krankenhaus gewartet. Auch Menschen mit anderen Krankheiten und Notfallpatienten hatten Schwierigkeiten, Kliniken zu finden, berichtet der bekannte japanische Epidemiologe Hiroshi Nishiura von der Kyoto-Universität.

„Bislang ist dies in Tokio noch nicht geschehen“, erklärte Nishiura in einem Interview mit Buzzfeed Japan. Denn laut Regierungschef Suga sind bereits 73 Prozent der Rentner durchgeimpft. Da diese Hochrisikogruppe in weiten Teilen damit vor schweren Krankheitsverläufen geschützt sei, gebe es derzeit noch freie Betten. Auch die Zahl der Toten halte sich bisher in Grenzen. Aber gerade sei ein Wendepunkt zum Schlechteren erreicht, warnt Nishiura.

Ein Helfer steht mit einem Schild das zum Einhalten der Corona-Regeln auffordert. Quelle: dpa
Olympia Tennis Court

Ein Helfer steht mit einem Schild das zum Einhalten der Corona-Regeln auffordert.

(Foto: dpa)

Der Epidemiologe sagt voraus, dass es noch im August täglich 10.000 neue Corona-Fälle in der Hauptstadt geben könnte, vor allem jüngere Generationen seien nun gefährdet. Er fordert daher, die Olympischen Spiele sofort auszusetzen.

Auch Tokios Bürgermeisterin Yoriko Koike reagierte. So bat sie diese Woche die Krankenhäuser, Betten in anderen Stationen für Corona-Patienten freizumachen und Operationen zu verschieben. Für Nishiura ist das ein böses Omen. „Menschen, die hätten gerettet werden können, werden nicht gerettet werden können“, sagt der Experte voraus, „wir definieren dies als medizinischen Kollaps.“

Olympische Spiele oder lasche Gesetze: Die Ursachenforschung beginnt 

In Japan geht nun die Suche nach den Ursachen für das Desaster in die nächste Runde. Die Politik diskutiert, die gesetzlichen Grundlagen dafür zu schaffen, schärfere Maßnahmen wie direkte Ausgangssperren auch tatsächlich umsetzen zu können. Die fehlen der Notstandsgesetzgebung weitgehend. Die bisherigen Aufforderungen, Geschäfte zu schließen oder zu Hause zu bleiben, gleichen eher Bitten als Befehlen.

Japan hat wegen stark gestiegener Corona-Infektionen den Notstand für die Olympia-Stadt Tokio abermals verlängert und auf weitere Präfekturen ausgeweitet. Quelle: dpa
Tokio

Japan hat wegen stark gestiegener Corona-Infektionen den Notstand für die Olympia-Stadt Tokio abermals verlängert und auf weitere Präfekturen ausgeweitet.

(Foto: dpa)

Zwar können die Lokalregierungen inzwischen Strafgelder verhängen, wenn Kneipenbesitzer beispielsweise weiter Alkohol ausschenken oder nachts öffnen. Aber sie können keine Zwangsschließung vornehmen. Zuletzt haben immer mehr Kneipenbesitzer und ihre Kunden die Coronaregeln ignoriert.

Als potenzielles Superspreader-Event rücken aber vor allem die Olympischen Spiele in den Fokus der Debatte. Regierungschef Suga verteidigte am Freitag zwar seine Entscheidung, Olympia trotz des öffentlichen Widerstands während der Pandemie zuzulassen. In Umfragen hatten sich über Monate aber mehr als die Hälfte der Japaner dafür ausgesprochen, das Sportspektakel abzusagen oder zu verschieben.

Der Grund für den Anstieg der Infektionen seien nicht die Olympischen Spiele, so Suga. Die Isolierung der Sportler verhindere, dass sie das Virus unter die Menschen trügen. Tatsächlich gab es bisher lediglich etwa 200 Covid-19-Infektionen im direkten Umkreis der Spiele, die wenigstens davon sind auf Sportler zurückzuführen.

Mittelbar jedoch gebe es durchaus einen Zusammenhang, widersprechen Epidemiologen. Die Ansteckungswelle gehe derzeit von den jungen Japanern aus, die, beflügelt von Olympia, wieder verstärkt in die Bars und Kneipen des Tokioter Nachtlebens gezogen seien. Sie warnen denn auch, dass die Spiele in der Stadt schuld daran seien, dass die Virenwarnungen verpuffen.

Im Kampf gegen das Virus gehen den Japanern damit ohnehin langsam die Mittel aus. Suga rief die Menschen auf, sich konsequent gegen das Virus zu schützen und sich impfen zu lassen. Bisher sind erst rund 30 Prozent der Bevölkerung geimpft, darunter kaum unter 65-Jährige.

Mehr: Mit App und Eid: Wie Japan mit Technik die Einreisequarantäne überwacht.

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