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Virtueller USA-China-Gipfel Biden und Xi gehen aufeinander zu – doch die großen Konflikte bleiben

Der Austausch zwischen dem US-Präsidenten und dem chinesischen Staatsoberhaupt sollte die Beziehung entspannen. Doch am Ende besinnen sich beide auf ihre strategischen Interessen.
16.11.2021 Update: 16.11.2021 - 07:42 Uhr Kommentieren
Quelle: Bloomberg
Joe Biden und Xi Jinping
(Foto: Bloomberg)

Peking, Washington Seit mehr als zehn Jahren kennen sich Joe Biden und Xi Jinping persönlich. „Ich freue mich sehr, meinen alten Freund zu sehen“, sagte der chinesische Staats- und Parteichef zur Begrüßung bei dem ersten virtuellen Treffen der beiden Regierungschefs. „Vielleicht sollte ich dieses Treffen formeller beginnen“, scherzte US-Präsident Biden. „Aber wir waren eigentlich nie sonderlich formell miteinander.“

Biden sah Xi auf zwei Flatscreens im Roosevelt Room. Dieser saß wiederum in der Großen Halle des Volkes, eingerahmt von hochrangigen Vertretern der Kommunistischen Partei. Während des dreistündigen Gesprächs wurde auf Details geachtet: Biden trug eine Krawatte in Rot, Chinas Nationalfarbe. Xi hatte einen blauen Schlips umgebunden, die Farbe der Demokratischen Partei in den USA. Der erste Austausch zwischen Biden und Xi seit Monaten war geprägt von Gesten des guten Willens, Thema waren aber auch die zahlreichen Differenzen zwischen den Staatsführungen.

Laut einer Mitteilung des Weißen Hauses äußerte Biden „klare Bedenken hinsichtlich des Vorgehens in Xinjiang, Tibet und Hongkong sowie der Menschenrechte generell“. Menschenrechtsgruppen werfen der chinesischen Staatsführung schwere Menschenrechtsvergehen in der westchinesischen Provinz Xinjiang an der dort lebenden Minderheit der Uiguren vor. Der US-Präsident kritisierte die „unfairen Handels- und Wirtschaftspraktiken“ Chinas und unterstrich, dass die USA „Bemühungen, den Status quo“ Taiwans zu untergraben, „entschieden ablehnen“.

Xi sagte, dass die Situation in der Straße von Taiwan vor einer neuen Runde von Spannungen stehe, weil die taiwanesischen Behörden wiederholt versucht hätten, „die Unabhängigkeit anzustreben, indem sie sich auf die Vereinigten Staaten verlassen“, während „einige Leute“ auf amerikanischer Seite daran interessiert seien, „China durch Taiwan einzudämmen“. Diese Entwicklung sei sehr gefährlich, sie sei ein Spiel mit dem Feuer, so Xi, und wer mit dem Feuer spiele, werde sich verbrennen.

Bezüglich der von der chinesischen Staatsführung angestrebten Zusammenlegung von Taiwan und China sagte Xi, man wolle diese „Wiedervereinigung“ friedlich erreichen, „aber wenn die separatistischen Kräfte der ,taiwanesischen Unabhängigkeit' uns provozieren und zwingen oder gar die rote Linie durchbrechen, werden wir entschiedene Maßnahmen ergreifen müssen“, drohte er.

Biden und Xi sprechen bei Video-Gipfel Konfliktthemen an

Washington ließ durchblicken, dass es an einer Eskalation eines Konflikts der Großmächte nicht interessiert sei. „Wir brauchen Leitplanken, damit unser Wettbewerb nicht in Konflikte ausartet und müssen unsere Kommunikationswege offenhalten.“ Als Bereiche der Kooperation definierte Biden Klimaschutz, die globale Energiekrise und die Überwindung der Pandemie.

USA: Keine Fortschritte in Taiwan-Frage

Chinesische Staatsmedien verfolgten das Treffen eng. Die nationalistische Staatszeitung „Global Times“ titele nach dem Ende des Gesprächs, das „seltene“ und „lange“ virtuelle Treffen habe „Gewissheit in die bilateralen Beziehungen“ gebracht.

Eine führende Regierungsbeamte des Weißen Hauses sagte nach dem Gespräch: „Beide führten eine offene Diskussion, sie sind schnell von ihren Manuskripten abgewichen.“ Menschenrechte seien von Biden „mehrmals“ angesprochen worden, der US-Präsident habe seine Sorge über Taiwan „klar zum Ausdruck“ gebracht. „Es ist kein Geheimnis, dass China eine fundamental andere Weltanschauung hat“, sagte die Beamtin. Das sei bei dem Treffen deutlich geworden. In der Taiwan-Frage seien „keine Fortschritte“ erzielt worden.

Biden und Xi haben erst zwei Mal in diesem Jahr telefonisch miteinander gesprochen, das Treffen am Montag war ihr erstes virtuelles Videotreffen. Xi hat seit Beginn der Coronakrise, also seit fast zwei Jahren, China nicht mehr verlassen. Auch zum Klimagipfel in Glasgow und zum Treffen der G20 in Rom war er nicht persönlich gereist. 

Der heute 78-jährige Biden und der zehn Jahre jüngere Xi lernten sich näher kennen, als beide noch Vizepräsidenten waren, Tausende Flugmeilen legten sie gemeinsam zurück. Doch als Biden im Januar ins Oval Office zog, waren die Beziehungen zwischen den USA und China bereits auf einem Tiefpunkt. Nicht zuletzt wegen des Handelskriegs, den Bidens Vorgänger Donald Trump angezettelt hatte.

„Wir haben Bedenken, wir werden sie offen äußern“

Xi war gestärkt in das Treffen gegangen, nachdem er sich vergangene Woche die Unterstützung für eine dritte Amtszeit gesichert hatte. Biden hingegen steckt in einer schwierigen Phase: Zwar unterschrieb er am Montag eine historische Infrastrukturreform, doch Machtkämpfe seiner Partei, die Lieferkettenkrise und die Inflation lassen seine Umfragewerte in den Keller gehen.

Als US-Präsident kann er die Kanäle nach Peking nicht komplett abbrechen. Denn für geopolitische Herausforderungen wie den Konflikt mit Nordkorea oder dem Iran braucht Biden chinesische Unterstützung. Parallel muss er einen harten Kurs demonstrieren: Die USA haben den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas, die Dominanz bei Zukunftstechnologien und militärische Aufrüstung als „größte nationale Sicherheitsbedrohung“ definiert.

Entsprechend wechselhaft wirkten Bidens Signale. „Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Länder nicht in einen Konflikt geraten, sei es gewollt oder ungewollt“, betonte Biden in der Videoschalte. „Es geht um einfachen, unkomplizierten Wettbewerb.“ Dann wieder drohte er: „Alle Länder müssen nach den gleichen Regeln spielen. Wir haben Bedenken, und wir werden sie offen äußern.“

Dass der Gipfel auf Bidens Initiative zustande kam, spiegelt neue Ängste des Weißen Hauses wider. Ein Szenario, das in Washington durchgespielt wird: Die beiden Weltmächte könnten in eine Spirale der Eskalation geraten, und sei es nur durch eine Verkettung von Umständen. Tatsächlich gab es zuletzt kaum eine Grundlage für Konsens, die wenigen Treffen auf höherer Ebene verliefen kühl.

In den Wochen vor dem Gipfel hatte sich jedoch eine Art neuer Pragmatismus abgezeichnet. So wollen sich die beiden größten globalen CO2-Verschmutzer künftig stärker im Klimaschutz abstimmen. Zwar fehlen in einer Vereinbarung, die sie auf dem UN-Klimagipfel in Glasgow trafen, konkrete Zusagen. Doch sowohl in Washington als auch in Peking wurde es als Erfolg gewertet, dass überhaupt eine Einigung zustande kam.

Zur Entspannung trug bei, dass Meng Wanzhou, CFO des chinesischen Tech-Giganten Huawei, nach einem Deal mit der US-Staatsanwaltschaft aus Kanada nach Hause zurückkehren durfte. 

Zum Teil haben die USA auch ihren Druck auf China gelockert. Ursprünglich wollte Trump erzwingen, dass China diskriminierende Handelspraktiken und Teile seines staatskapitalistischen Wirtschaftssystems aufgibt. Dieses Ziel stellt Biden nun hintenan, gepaart mit der Erkenntnis, dass man China wohl nicht zu grundsätzlichen Veränderungen zwingen kann. „Im Gegensatz zu früheren Ansätzen versucht die Biden-Regierung nicht, China durch bilaterales Engagement zu verändern“, sagte ein hochrangiger Regierungsbeamter des Weißen Hauses. „Wir halten das nicht für realistisch.“ 

Stattdessen treibt Washington ein multilaterales Bündnis gegen China voran, die Europäische Union gilt als wichtiger strategischer Partner. Eine Lieferketten-Kooperation, eine Tech-Allianz mit der EU und eine globale Infrastruktur-Initiative: All diese Initiativen haben das Ziel, die Macht Chinas einzudämmen. Seit Bidens Amtsantritt haben die USA auch ihre Partnerschaften in der Indopazifik-Region gestärkt. In dieser Woche reist Bidens Wirtschaftsministerin Gina Raimondo durch Asien, sie besucht Japan, Singapur, Malaysia, Südkorea und Indien.

Laut dem Experten Matthew Goodman, Asien-Berater der Regierungen von Barack Obama und George W. Bush, dürfte die Annäherung zwischen den USA und China von kurzer Dauer sein. „Die Gräben sind so tief, dass persönliche Sympathien nur wenig ändern können.“

Mehr: Europa will Chinas Seidenstraße eindämmen - mit mageren 40 Millionen Euro.

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